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LECHF.VALIER S THEODIEN.

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schaft der Archäologie eben erst der Morgen an. Eine Aegyptologie
gab es noch nicht; die Städte Assyriens waren noch nicht entdeckt,
prähistorische Alterthümer unbekannt, Ausgrabungen zu wissenschaft-
lichen Zwecken etwas Unerhörtes. Das Sanskritstudium hatte noch nicht
begonnen, die Wissenschaft der vergleichenden Philologie war noch
nicht geschaffen, ja die Philologie war beschränkt auf ein stammelndes
Spielen mit lateinischen Worten, von welchen die Gelehrten — mit Aus-
nahme derjenigen, die in der thiirichten Vorstellung befangen waren,
dass das Hebräische die ursprüngliche Sprache des ganzen Menschen-
geschlechtes war — alle Sprachen ableiten zu müssen glaubten. Kein
Mensch hatte eine Ahnung von der Herkunft unserer Rassen aus den
indischen Hochgebirgen, die freilich fast noch eine terra ineognita waren.
Bis dahin gab es noch keine Archäologen, und es gab daher noch keine
archäologische Kritik. Als daher Leehevalier> seine romantische Wall-
fahrt machte, um llion zu suchen, als er intuitiv, ohne auch nur den
Boden mit dem Spaten zu berühren, und wie durch göttliche Ein-
gebung — gerade wie Yirgil sagt:

Hie Dolopum manus, liic saovus tendebat Achilles;
Classibus hie locus, hie acic certare solehant — -

erfuhr, dass die Bergamos des Briamos auf dem Hügel am Ende der
Höhen des Bali Dagh gelegen und die Stadt sich auf den Höhen bis
hinab zum Dorfe Bunarbaschi, welches die Stelle des Skaiischen Thores
bezeichne, ausgedehnt habe, dass die 40 kalten Quellen am Fasse
des Dorfes die zwei Quellen des Skamanders waren, von welchen er
die eine, um die Uebereinstimmung mit der Homerischen Angabe11
herbeizuführen, als warm mit aufsteigendem Dampfe beschrieb; als
er dann weiter versicherte, dass der Bach Bunarbaschi Su, den die
4t) Quellen bilden, der Skamander (arentem Xanthi cognominc rivum)
war, diesen Fluss auf seiner Karte der Troisehen Ebene fast so breit
zeichnete als den wirklichen Skamander, den er Simoeis nannte, und
den Dumbrek Su (Simoeis) zum Thymbrios machte; als er endlich, um
sein System mit den Angaben der Ilias vollkommen in Einklang zu
setzen, von seinem Skamander berichtete, dass er sieh mit seinem
Simoeis bei Kuni Kioi vereinige und dicht beim Cap Bhoiteion sich
in den Hellespont ergiesse4— da wurden seine Theorien fast allgemein
angenommen, und seine imaginären Identifikationen verursachten in
der wissenschaftlichen Welt ein weit grösseres Aufsehen als irgendeine
wirkliche Entdeckung späterer Zeit.

Lcehevalier's Ansichten landen einen besonders warmen Vertheidiger
an dem Grafen Choiseul-Gouffier5, in dessen Diensten er stand, der selbst
die Ebene von Troja besuchte und alle seine Entdeckungen bestätigte.
Choiseul-Gouffier sagt, die Quellen desSkamandros seien noch in demselben

1 Voyage de la Troade, 3 vol., 3P edit.:
(Paris, üontu, an X, 1S02). „Lechevalier's
Beschreibung der Ubene von Troja, mit
Anmerkungen von Öakal, aus dem Engli-
schen von Dornedden" (Leipzig 1792).

2 Aeneid., II, 29.

3 //., XXII, 147—152.

1 Vgl. diu seinem vorerwähnten Werke
beigegeben^ Karte.

5 Voyage pittoresque de la Grece, tome
II, livraison 2 (Paris 1820). Vgl. Bueli-
holz, ,,Homer. Kosmogr. u. G-eogr." S. 333.

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