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Schmitzer, Ulrich; Wissenschaftliche Buchgesellschaft [Contr.]
Rom im Blick: Lesarten der Stadt von Plautus bis Juvenal — Darmstadt: WBG, Wissen verbindet, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.72413#0213
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6.2 Martial: die Stadt ins Epigramm gegossen

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6.2 Martial: die Stadt ins Epigramm gegossen
Martial wurde um 40 n. Chr. in Spanien geboren, er kam ca. 64 nach Rom, wo er
von seinem Landsmann Seneca gefördert wurde und die letzten Jahre der Regie-
rungszeit Neros miterlebte. Unter den Flaviern trat er dann als Dichter hervor,
wobei er ausschließlich Epigramme schrieb: zunächst den Epigrammzyklus zur
Einweihung des Colosseums (liber spectaculorum). Offenbar nachträglich einge-
fügt ist spect. 33 mit antiflavischer Tendenz, was auf einen späteren redaktionellen
Eingriff hinweist. Es folgen die Xenia und Apophoreta („Gastgeschenke" und
„Mitbringsel", traditionell als Bücher 13 und 14 gezählt), schließlich die zwischen
86 und 102 entstandenen zwölf eigentlichen Epigrammbücher, deren letztes nach
98 in Spanien verfasst ist, wohin sich Martial nach dem Ende der flavischen Dy-
nastie wieder zurückzog.52
Wie Statius' Silvae zählen auch die Werke seines Altersgenossen Martial
zur Kleindichtung. Genauer: Sein Metier ist die epigrammatische Dich-
tung, die er als eine der letzten verbliebenen Literaturgattungen in Rom
zur Vollendung führt, so dass sie es mit den griechischen Vorbildern mehr
als nur aufnehmen kann.53 Martial epigrammatisiert seine Umwelt, die Li-
teratur54 genauso wie den Kaiser.55
Nach antiker, durch die Etymologie gestützter Auffassung war das Epi-
gramm ursprünglich eine reale Aufschrift, vor allem auf Gräbern, lieferte
also eine Erklärung für ein bestimmtes Bauwerk, das ohne Text nicht so
leicht verständlich gewesen wäre. Martial setzt diese Tradition mit völlig
neuer Qualität fort: Er erklärt die Stadt, ihre Menschen, ihre Bauwerke
und das Wirken des Herrschers in dieser Stadt. Martial führt die Gattung
konsequent auf ihre Ursprünge zurück, indem er den in der hellenisti-
schen Literatur verloren gegangenen Bezug zwischen Text und Bauwerk
bzw. Epigramm und Stadt (der urbs Roma) wiederherstellt und in zahlrei-
chen Variationen durchspielt.56
Martials liber spectaculorum57 weitet das Konzept der amphitheatrali-
schen Literatur, das sich bei Calpurnius und Statius in einzelnen Gedichten

52 Nützliche Zusammenfassung bei Watson/Watson 2003, 1-36; instruktiv auch Rimell
2008, 4-7.

53 Vgl. den Überblick bei Holzberg 2002.

54 Mindt 2013.

55 Lorenz 2002.

56 Vgl. Rimell 2008, 52. Der mit dieser ursprünglichen Bestimmung des Epigramms ver-
bundene Aspekt des Todes (ebd. 52-59) spielt für uns hier keine Rolle.

57 Siehe umfassend Coleman 2006. - Ich folge der traditionellen Zählung der Gedichte,
wie z. B. in der Teubneriana von Heraeus (1925), zu den mit der Gedichtanordnung ver-
bundenen Problemen siehe Coleman 2006, ΧΧ-ΧΧΙ.
 
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