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Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 5. Mai 1925

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haben wir eine Schlacht zwischen Hellenen
und Kentauren ohne besondere Beziehung
vor uns oder eine bisher unbekannte Ge-
schichte, in der zwei Helden dasselbe tun.
Die Eleer hatten die Kentauren der Pholoe
nahe; sie erwartet man an dem Tempel
Olympias. Aber in der Pholoe kämpft
Herakles mit den Kentauren, und Frauen-
räuber sind sie dort nicht. Wohl aber muß
nach der Apollodorischen Bibliothek II 91
Herakles die Tochter des Dexamenes von
Olenos von ihrem Freier Eurytion befreien.
Diese Geschichten sind im Giebel nicht dar-
gestellt, denn Herakles fehlt. Nun hören
wir aber von Pausanias V 3, 3, daß die
Aktorionen Zwillingstöchter des Dexamenes
heiraten, die ihnen die beiden Söhne gebären,
welche der Schiffskatalog der Ilias als
Führer der Eleer kennt. Wenn wir uns ent-
schließen, die Aktorionen als Retter ihrer
Bräute vor den Kentauren anzunehmen, so
daß Herakles sich in eine ältere Sage ge-
drängt hätte, haben wir im Westgiebel die
eleische Kentauromachie, die wir erwarten.
Darauf sprach Herr Brueckner über
Forschungsaufgaben in der Troas.
Einunddreißig Jahre sind vergangen, seit
die letzten Grabungen in Troja geschehen,
dreiundzwanzig seit Dörpfelds Troja und Ilion
erschienen. Da wird an der Zeit sein, zu
fragen: sind wir fertig mit unserer von
Schliemann übernommenen Aufgabe, die
Denkmäler der trojanischen Herrschaft und
des trojanischen Krieges, die Landschaft
und ihre Geschichte zu erforschen? Nein.
Denn die Schuttmassen verdecken und ent-
stellen, seit Schliemann die Mauern des
Apollon und Poseidon auf dem Urboden
suchte, die ganze Nordfront; und nur ein
schmaler Graben hat bisher den Verlauf
der Süd- und Ostmauern der Königsburg
aufgedeckt. Für den Rückgang, der auf ihre
Zerstörung folgte, sind einzelne wichtige Be-
obachtungen und Grundanschauungen ge-
wonnen, aber noch schwanken die Meinungen,
wie und wann die älteste griechische Kolo-
nisation und die Völkerwanderungen von
Norden her auf den Platz Übergriffen und
daher in welchem Zustande Homer Burg
oder Stadt und ihre Landschaft gesehen
haben kann.
Die deutsche Archäologie hat Jahrzehnte

den Boden der Troas brachliegen lassen, so-
sehr die inzwischen erschienenen großen
Werke über die Entwicklungsgeschichte des
Epos zur Vertiefung anregten. Wohl aber
ist währenddessen von englischer Seite, zu-
nächst auf Grund von Bereisungen des
Landes, nicht nur die nützliche Monographie
von Hasluck über Kyzikos erschienen, son-
dern vor allem hat Walter Leaf sein Buch
Troy, ^E^ywWowgrfrGg^gr^AyJ, und vor
D/a Jahren seine Ausgabe und ausführlichen
Kommentar von Strabons über die Troas
handelnden Kapiteln veröffentlicht, eine
wertvolle Hilfe von klarer Übersichtlichkeit.
Was die Herstellung des Strabon-Textes an-
geht, so wird im einzelnen noch darauf zu-
rückzukommen sein. Der besondere Fort-
schritt in Leafs Werken ist der geographische
Überblick über die ganze Landschaft und
ihre anschauliche Darstellung und damit im
Zusammenhang das Augenmerk auf die
wirtschaftlichen Grundbedingungen. Vom
Troerkatalog des B ausgehend erkennt er,
welche Verkehrsverhältnisse die Helden und
ihre Völker gerade nach Troja zusammen-
führten, worauf zur Zeit, als die Achäer die
See des Archipels beherrschten, Trojas Be-
deutung und Reichtum beruhte. Nicht auf
dem Reichtum an Bodenschätzen, die ver-
glichen mit anderen Stätten der Troas dürf-
tig sind, nicht auch auf dem Vorzug eines
natürlichen Hafens. Wohl aber war die Lage
derart, daß Troja, zumal auch die Spitze des
Chersones im Besitze des troischen König-
tums anzunehmen, den Hellespont und den
Zugang zum Schwarzen Meer abriegeln und
den Segelschiffen, welche nach NO steuernd
durch den Gegenwind der Etesien und die
Stärke des Stromes und das Bedürfnis nach
Süßwasser zum Anhalten gezwungen waren,
an der wasserreichen Besika - Bucht oder
den Skamander-Mündungen einen Zoll auf-
erlegen konnte. Von den anderen Seiten her
liefen hierhin die Wege der Bundesgenossen
des Priamos zusammen, der Thraker bis
vom Axios, der Paphlagonen und Alizonen
vom Schwarzen Meere, der Myser und
Phryger vom kleinasiatischen Hinterlande,
der Maionen, Karer und Lykier von der

1) Vg]. auch Leaf, 373^ AAA379/ London
1915.

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