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Stuttgarter Mitteilungen über Kunst und Gewerbe — 1905-1906

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Obrist, Hermann: Das Problem der modernen Plastik. Von Hermann Obrist in München: Vortrag, gehalten am 6. Dezember 1904 im württembergischen Kunstgewerbeverein zu Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.6371#0161
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DAS PROBLEM DER MODERNEN PLASTIK. VON

HERMANN OBRIST IN MÜNCHEN. Vortrag, gehalten am

6. dezember 1904 im württembergischen kunstgewerbeverein zu stuttgart.

Verehrte Anwesende!

Unser Thema leiten wir am besten mit der Frage ein: warum haben wir
keine moderne Plastik?

Es ist dies eine Frage, welche, wenn auch nicht gerade in diesem Jahre,
doch jedenfalls innerhalb der nächsten 10 15 Jahre eine der interessantesten
zu werden verspricht. Nun ist es ja immer eine mißliche Sache, wie Sie alle
wissen, sogenannte Prophezeiungen von sich zu geben, und es wäre auch
schwer, hier eine solche zu äußern, wenn wir nicht schon günstige Erfahrungen
auf anderen Gebieten innerhalb der letzten 10 Jahre gemacht hätten. Sie
werden sich alle noch erinnern, denn es ist ja nicht sehr lange her, daß auf dem
Gebiet der angewandten Kunst eine derartige Prophezeiung ebenfalls geäußert
wurde, welche damals verlacht und verhöhnt wurde, auch recht viel Aergernis
erregte; und dennoch ist auf dem Gebiet der angewandten Kunst ein neues
Leben eingezogen. Und das eine ist jedenfalls zu konstatieren, daß es ein
ausgesprochen intensiv modernes Leben ist. Deswegen ist es uns jetzt etwas
leichter gemacht, über die Zukunft der Plastik, sowohl der angewandten wie
der freien Plastik, ein derartiges Wort zu sprechen und Sie werden, glaube ich,
im Jahre 1906 mit etwas weniger Widerspruch an die Sache herangehen können,
als man es vor 10 Jahren tun konnte.

Wir wollen die Frage: warum haben wir keine moderne Plastik? etwas
näher ins Auge fassen und von vornherein behutsam die Schwierigkeiten be-
leuchten, die bei der Beantwortung dieser Frage vorkommen können.

Eine der Hauptschwierigkeiten dürfte wohl eine rein psychische, eine seelische
Schwierigkeit sein, die darin besteht, daß ich selber, der ich hier über Plastik
sprechen will, doch Bildhauer bin; und das soll bekanntlich eine mißliche Sache
sein, wenn ein Künstler über Kunst und andere Künstler zu reden sich unter-
fängt. Zweitens herrscht ja noch allgemein in unserem außerordentlich ge-
bildeten deutschen Vaterlande die Ansicht, daß ein Künstler über seine Kunst
ein anständiges, richtiges Urteil nicht haben könne; man sagt ihm immer: es
fehlt Dir die nötige Distanz, Du bist nicht objektiv. - Bekanntlich soll der

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