Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Stuttgarter Mitteilungen über Kunst und Gewerbe — 1905-1906

DOI article:
Burkhardt, A.: Der Holzstich
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6371#0192
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
A. Burk-
hardt, Der
Holzstich.

bringen. Auch in
dieser Hinsicht hat
der Holzstich aus-
geprägte Eigentüm-
lichkeit. Eine der

hauptsächlichsten
ist, daß er in den
meisten Fällen kein
allmähliches Her-
ausarbeiten der be-
absichtigten Wir-
kung auf Grund der
Anschauung dessen,
was schon gemacht
wurde, erlaubt, son-
dern das "Wesent-
liche muß auf einen
Wurf im ganzen und
einzelnen erreicht
oder doch zweck-
mäßig vorbereitet
werden. Der Holz-
stich läßt sich in
dieser Hinsicht sehr
gut mit dem Fresko
vergleichen: auch er
muß stückweise ar-
beiten und die ein-
zelnen Teile müssen
bis zu einem gewis-
sen Grade in sich
fertig sein und sich
mir im Gesamtton zu

D. Nr. 631.

A. Burkhardt in Stuttgart, Wirkungen verschiedenerTechniken :
I—VIII Linien (Töne) verschiedener Art mit dem Stichel; IX—XI
und XV Punkte; XII Eindrücke mit gezahnten Eisen ; XIII Spitz-
stichel; XIV unregelmäßige Linien; XVI Punzarbeit mit der
Bruchflächc eines Nagels; XVII Nadelarbeit; XVIII Roulette;
XIX und XX Hohleisen

passend an das
Ganze anschließen.
Die Absicht muß
von vornherein fest-
stehen, starke Ver-
änderungen sind
meist ohne Schädi-
gung der gewollten
Wirkung nicht mög-
lich (außer durch
Einsetzen von Holz-
stücken, also gänz-
liche Neuarbeit die-
ser Teile). Man kann
wohl im Ton be-
liebig aufhellen und
in geringerem Gra-
de auch dunkler
machen. Aber der
Holzstich gibt eben
nicht nur Tonabstu-
fungen von Schwarz
und Weiß, sondern
die andern ihm be-
sonders gegebenen
Wirkungen sollen
das Hauptwort füh-
ren. Habe ich z. B.
einen Kopf auf
starke Leuchtkraft
der Linien hin an-
gelegt und er gerät
Nachschneiden oder Ueber-

dunkel, so kann er wohl durch
schneiden heller gemacht werden, aber die spezielle Wirkung, die Leuchtkraft, wird
dadurch aufgehoben oder doch stark beeinträchtigt. Die schon erwähnte offene Sicht-
barkeit der Stichelarbeit gestattet ferner kein Verbergen von Schwächen und Halb-
heiten, der Holzstich zwingt den Schaffenden, ehrlich gegen sich und andere zu sein
und Farbe zu bekennen.

Durch diese Eigenschaften wird der Künstler von selber zu einer gewissen Verein-
fachung und Verdichtung dessen, was er in Holzstich geben will, gedrängt (auch hierin
ist Aehnlichkeit mit dem Fresko) und so eignet sich diese Technik ihrer ganzen Natur
nach nicht für impulsive Künstlernaturen, die rasch auftauchenden Eindrücken oder
Einfällen rasch Gestalt geben wollen: er ist für solche, die zur Sammlung und Kon-
zentrierung neigen, die Zusammengefaßtes zu geben haben. Für sie wird auch der
etwas langsame und schwere Stichel ein angenehmes und passendes Werkzeug sein,
der Leichtes und Schweres, scheinbar nur Hingeworfenes, Angedeutetes und Durch-
geführtes mit der gleichen Ruhe und Gewissenhaftigkeit durchzuarbeiten zwingt. Der
Zusammenhang zwischen der Art eines Künstlers und der Art einer Technik ist tiefer
und bedeutungsvoller als es gewöhnlich beachtet wird. Legen wir einen Kupferstich
Dürers, eine Radierung Rembrandts, eine Lithographie Thomas nebeneinander, so
haben wir nicht nur drei verschiedene Techniken, sondern auch das Bild verschieden
gearteter Künstlerpersönlichkeiten und Temperamente, zu deren möglichst starkem
und reinem Ausdruck die jeweilige Technik notwendig war. Daß diese Verknüpfung
keine zufällige und äußerliche ist, erkennen wir weiterhin, wenn Dürer auch im Holz-
schnitt zu der gleichen Zartheit wie in seinen Kupferstichen hindrängt, wenn Thoma
die Radierung so handhabt, daß sie sehr stark an die Weise seiner Lithographien sich
annähert, so daß man fast sagen könnte, er imitiere die Lithographie mit der Radierung.
Und wenn Klinger in seinen Blättern neben Nadel und Aetzwirkung nach und nach

178
 
Annotationen