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Tag für Denkmalpflege
Stenographischer Bericht — 3.1902

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Zweite Sitzung, Freitag, den 26. September, morgens 9 Uhr
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Bericht des Herrn Oberbürgermeisters Struckmann - Hildesheim über die Aufgaben der Kommunalverwaltungen auf dem Gebiete der praktischen Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.29778#0105
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Komnmnalverwattung'en und Denkmalpdege.

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euch nicht gewachsen gezeigt, nun greifen wir in einer, euch nüerdings unlieb-
snmen Weise in diejenigen Befugnisse ein, die wir willens waren, euch mehr
oder weniger selbständig zu übertragen.

Nun, wie verhiilt es sich da mit, dem Gebiete der Denkmaiphege, mit
dem wir es zu thun haben? Ist das in der That etwas, was nur so nebenbei,
aus Liebhaberei einmal von dieser oder jener Stadt soiite in die Hand ge-
liommen werden, oder gehört es nicht mit zu den wesentlichen Aufgaben, zu
den wichtigsten Aufgaben der Städte, auch auf diesem Gebiete thätig zu sein ?
Ja, sind die Städte denn &ebilde, die entstanden sind von heute auf morgen,
sind das nicht organische Gebilde, die aus einer Reihe von Jahrhunderten
sich entwickeit haben mit ihrer Geschichte und mit ihren Denkmäiern, die
von der Gescliichte der Stadt zeugen? Meine Herren, wie schon im Privat-
leben der Einzelne mit verantwortiich ist, dasjenige zu erhalten an Traditionen,
was in seiner Familie vorhanden ist, nicht nur äusserlich, sondern auch
innet'Iich die guten Eigenschaften, die an den Yorfahren man gerühmt hat
uiid auf die man stolz ist, möglichst in sich zu verkörpern und auf die
Zukunft weiter zu vererben; um so mehr haben die Städte dieVerpdich-
tung, anzuknüpfen an die friiheren Traditionen. Ich behaupte, meine Herren,
es hat eine Stadt gar kein Recht dazu, mit dem, was von ihren Vorfahren
an Edlem, an Schönem, an Denkmälern namentlich ihr überwdesen und iiber-
tragen wmrden ist, nachher beliebig zu schalten, umzubauen, weil möglicher-
weise irgend eine Fot-derung der Neuzeit sich dem Gefallen in gewisser Weise
hemmend entgegenstellt. (Sehr richtig!) Meine Herren, ich halte es fiir eine
Pietätlosigkeit, wenn man so verfährt, und jede Pietätlosigkeit rächt sich.
(Sehr richtig!) Wenn ntan auf diesern Gebiete pietätlos ist, dann wird rnan
es auch auf anderen Gebieten seltr leicht werden. Es muss der ganze Sinn
der Bevölkerung dahin ftihren, dass sie erkennen, dass sie ein heiliges Vet'-
mächttiis haben in dem von ihren Vorfahren ihnen Hinterlassenen. (Beifall.)
Meine Herren, wie öde wtirden unsere Städte sein, wenn wir ohne Rücksicht
auf das, was von frtiher her iitnen iiberliefert worden ist, nun einfach nach
den moderne]t Anforderungen olme weiteres sie gestalten wollten. Ja, meine
Ilerren, tmd welcher Streit der Ansichten tviirde entstehen, was denn nun den
modernen Anforderungen geniigt. Morgen wiirde die Ansicht vielleicht voll-
ständig anders sein wie heute, und da könnte man morgen wieder anfangen,
abzubrechen, was heute für schön und erhaltenswert galt. Meine Herren, ich
halte es für ein kommunales Leben von der äussersten Wichtigkeit, dass wir
das Alte achten, dass wir dann allerdings suchen, auf G rund der Traditionen,
auf Grund dessen, was uns Hberliefert worden ist, den neuen Bediirfnissen
gerecht zu werden; und die Weisheit und die Klugheit besteht darin, gcgen
einander abzuwägen: was ist der Erhaliung wert, was verträgt sich mit der
Neuzeit, und dann zu suchen, diesemittlereLinie zu ünden, wieweit man
gehen darf und gehen muss in der Erhaltung des Alten und wieweit man es
vereinigen kann und vereinigen soll mit dent Neuen. Das ist die Aufgabe
namentlich auch unserer Architekten, nicht einfach sich auf den Standpunkt
zu stellen und zu sagen: wenn ich ganz freie Bahn hätte, dann würde ich
himmelstürmende Bauten schaifen. Nein, meine Herren, er soll die einzelne
Stadt nehmen, wie sie ist, soll studieren, wie ist der genius loci, und nun
aus diesem genius loci heraus auch die Bedtirfnisse. der Neuzeit beurteilen
und beides miteinander in Einklang bringen. (Bravo!) Meine Herren, so

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