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Sturm, Leonhard Christoph
Leonhard Christoph Sturms Vollständige Anweisung, Alle Arten von regularen Pracht-Gebäuden nach gewissen Reguln zu erfinden, auszutheilen und auszuzieren: Benebst Einer gedoppelten Vorstellung der Sechs Ordnungen der Bau-Kunst ...; Daß demnach Dieses Werck des berühmten Nicolai Goldmanns gantzes zweyte Buch, und noch über dieses eine grosse Anzahl nutzlicher Verbesserungen und Vermehrungen mit darleget — Augspurg: Wolff, 1717 [VD18 12337129-001]

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https://doi.org/10.11588/diglit.62404#0007

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E

und in die Hoͤhe 203 M. zugeſchweigen die durch die Bruͤche gantz unangenehme Zahlen / die man nicht
einmahl an den Gliedern / wieviel weniger bey gantzen Stuͤcken dulden ſolte / ſo findet ſich hier ja die gering-
ſte Verhaͤltniß nicht zwiſchen der Breite und Hoͤhe. Bey Scamozzi kommet vor die Hoͤhe der Bogen
j. Mod. und 203 M. die Breite sus M. und 10 Mod. Welches wegen der Bruͤche o unangenehm /
und ſonſt ohne alle gute Proportion iſt / als immermehr bey Palladio.
Unnſer Auccor iſt viel weiter in dieſem Stuͤck gegangen / und verdienet den Ruhm / daß er die Doriſche
Ordnung / die allen Gebaͤuen ſo viel Maſeſtaͤt und Anſehen zuwege bringen kan / gantz leicht und weit voll-
kommener gemachet. Er behaͤlt erſtlich in ſeinen Doriſchen Gebaͤlckeän / die er allezeit 4. Mod. hoch machet /
des Vitruvi Austheilung / welche ſich auf 5. 10. . Mod. ſchicket. Hernach rechnet er noch ein Gebaͤlcke /
gantz nach Vitruvii Proportionen / nur daß die Dreyſchlitze etwas kleiner kommen / dieſes ſchicket ſich auf
4.6.8.10. 12. 14.16. Mod. Endlich machet er ein Gebaͤlcke / da die Breite des Dreyſchlitzes gegen der Hoͤhe
iſt / wie z. gegen 4 nemlich „Mod. und 17 Mod. die Zwiſchen⸗Tieffen macht er juſt quadrat. Dieſes
Gebaͤlcke ſchick et ſich auf 7. Mod. Alſo haben wir dadurch die Doriſche Ordnung auf alle die gebraͤuchlichſte
Saͤulen⸗Weiten. Die Saulen kommen bey denen Boͤgen ohne Saͤulen⸗Stuͤhle 12. und mit Saͤulen-
Stuͤhlen 14. M. auseinander. Hier werden die Bogen 10. M. breit. 20. hoch / dorten 8. breit und 16.
hoch. Die Jambagen oder Neben⸗Pfeiler / wie auch die Schwibbogen werden juſt ! Mod. breit. Wer
nun dieſe mit der groͤſſeſten Leichtigkeit verbundene Vollkommenheit in Betrachtung ziehen will / wird
daraus das vortrefflſche lngenium, nebſt dem ungemeinen Fleiß erkennen / welchen unſer Auctor zu Ver-
beſſerung und Erhoͤhung der Baukunſt mit gutem Succels angewendet. 5
Hieraus nun da ſolcher geſtalt Goldmann die Bahne zu der Vollkommenheit durch eine verſtaͤn⸗
dige und gerechte Freyheit gebrochen / habe ich leicht Anlaß nehmen koͤnnen / zu ſehen / daß die Weite zroi-
ſchen zwey Dreyſchlitzen / nicht kleiner als zwey / und nicht groͤſſer als z. Mod. genommen werden
konte / wenn man nicht von dem Haupt Fundament / (daß die Breite des Dreyſchlitzes gegen der Hoͤ⸗
he wie 2. gegen z. und die Metopa oder der Raum dazwiſchen juſt quadrat ſeyn ſolle) abweichen / und kei-
ne gantz unproportionirliche / ja abgeſchmackte Eintheilung des Architraves , Frieſen und Krantzes ma-
chen will. Daraus folgete von ſeloſt / daß alle Balcken Weiten / das iſt alle Diltanzen von der Mitte
eines Dreyſchlitzes biß an die Mitte des naͤchſtfolgenden / deren Maaß oder Zahl zwiſchen beyde vorbenann-
te Extrema fielen / ſich zu einer guten Eintheilung ſchicketen. Alſo fand ich hieraus ferner das Proble-
ma aufzuloͤſen / welches die Frantzoͤſiſchen Baumeiſter vor unaufloͤßlich gehalten und oͤffentlch erklaͤret
haben / nemlich die Doriſche Saͤulen zu Kuppeln / das iſt / ſo nahe aneinander zu ſtellen / als moͤglich iſt /
nemlich 2 Mod. voneinander. Denn es faͤllet dieſe Zahl zwiſchen beyde beſagte Extrema, und giebet
alſo eine geſchickte Balcken⸗Weite. Derowegen habe ich in gegenwärtigem Werck nicht nur auch darauf
ein wohl proportionirtes Gebaͤlcke ausgerechnet und vorgezeichnet / ſondern in genere angewieſen / wie
man auf alle Balcken⸗Weiten die Gebaͤlcke ausrechnen ſolle. e ' '
In denen Sparren⸗Weiten der zarten Ordnungen / haben obgedachte Baumeiſter auch gar unbe-
queme Zahlen gefunden / Goldmann machet ſie durchgehends ı. Mod. groß und machet dadurch alle
dieſe Ordnungen wiederum zu allerley Saͤulen⸗Weiten geſchickt. Vignola Corinthiſche Ordnung ge-
het auf 4.8.12. und 16. Modul / 2. und 16. geben die Arcaden. Palladio Joniſche Ordnung haͤlt gar kei.
ne Saͤulen⸗Weite / die juſt in Moduln aufgienge / als uz. welche eine gantz unnütze Saͤulen⸗ Weite iſt.
Gleicher Geſtalt verhaͤlt es ſich mit Scamozzi Roͤmiſcher Ordnung / indeme beyde zu der Sparren-
Weite 172 M. geben. Was vor groſſe lnconvenientien / vor Schwuͤrigkeit in dem Austheilen und
in der Symmetrie, vor Duͤrfftigkeit in der Invention dieſes verurſache / iſt nicht genugſam zu beſchrei-
ben. Ich will ein einig Exempel geben: Wann ich in einen Fuͤrſtl. Garten einen gantz bloß ſtehenden
groſſen Saal bauen ſolte / um bieſen gieng ein gepflaſterker Hoff / welcher um und um mit einer Bogen;
Laube ſolte umgeben ſeyn. Wie koͤnte ich dieſes ſchoͤner zu Werck richten / als wenn ich in dem Saal
groſſe Corinthiſche Wand⸗Saͤulen auſſen ſo groſſe Romiſche Saulen. mit dahinterſtehenden Wand-
Pfeilern gebrauchete. Die Arcaden muͤſten zu ihren Saulen ohngefahr die Helffte des Moduls der
groſſen Saͤulen nehmen. Ich wolte aber auſſen gegen dem Garten Tuſcaniſche / innen gegen dem Hof
Doriſche / und unter der Gallerie Joniſche Arcaden machen. Ich habe dieſes mit unertraͤglicher Muͤhe aus
Vignola, Palladio und Scamoazi nachgerechnet / und befinde / daß es ohne tauſend groſſe Fehler / und
ohne gaͤntzliche Veraͤnderung der von dieſen Baumeiſtern geſetzten Maaſſen ohnmoͤglich iſt / ein ſolches
Deſſein zuſammen zu bringen. Nach Goldmannes Reguln und Maaſſen gehet es gantz leicht und un-
gezwungen an. Wann man nun eine gantze Gaſſe in einer Stadt mit Pallaͤſten anfuͤllen ſolte / von gantz
unterſchiedener Invention, und doch um eine Verwunderung durch deren Schoͤnheit zu erwecken / von
gantz vollkommener Symmetrie, und aus allen Ordnungen, theils mit durchgehenden / theils mit dop-
pelten Reihen Saͤulen / theils auch ohne Saulen / wie wolte es da um vorgedachter Baumeiſter Ordnun-
gen ſtehen. In ein Laberinth von Rechnen und Zeichnen wuͤrde der Baumeiſter verfallen / der nach ih-
nen ſolches zuwege bringen wolte / und doch unmoglich reulſiren / wie ich ſolches durch den unfehlbah-
ren Calculum erweiſen koͤnte / wann ſich ſolche verdrießliche Weitlaͤufftigkeit hieher ſchickete. Nach Gold-
manns Grundreguln kan dieſes noch viel leichter verrichtet werden ' 5
Aber auch in dieſem Stuͤcke habe ich die Ordnungen noch vollkommener gemachet / indeme ich auch
auf andere Saͤulen⸗Weiten / die in gantzen Moduln nicht aufgehen / Gebaͤlcke mit Sparren⸗Koͤpffe ge
rechnet und vorgezeichnet / ja gar in genere angewieſen habe / wie dieſe Rechnung anzuſtellen / und alſo
ein jedes Gebaͤlcke auf alle vorkommende Calus einzurichten ſeh. n „
Eines hat unſer Goldmann in ſeiner Architectur nicht wahrgenommen / daß ſeine Sparren⸗Weiten
nicht angehen / wann man unverduͤnnete Pfeiler gebrauchen 12 wie er guch die Capitale der zarten Drde
 
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