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Tilker, Andreas
Tanikama: Dämonologie und Exorzismus in Sri Lanka — 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.8392#0050
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In diesem Sinne war der Angriff auf die Tradition eine Metapher für die
Macht der singhalesisehen Mittelschicht gegenüber den anderen Singha-
lesen (KAPFERER 1983: 20-30).

6.2. Frauen als Patienten

Es ist ein weltweit beobachtetes Phänomen, daß Frauen weit häufiger
"besessen" bzw. Patienten von Heil- und Exorzismusritualen sind als
Männer (LEWIS 1971). Diese Beobachtung trifft auch für Sri Lanka zu.
Etwa zwei Drittel der Exorzismuspatienten sind Frauen (KAPFERER 1983:
54; s.a. GOONERATNE 1865/66: 41).

j*

Die besondere Disposition von Frauen für Besessenheit liegt nach LEWIS'
Meinung an ihrer sozialen Position,während OBEYESEKERE psychologische
Faktoren hervorhebt und KAPFERERs Augenmerk kulturellen Einstellungen
gilt. WILSON schließlich sieht in der Konkurrenz der Frauen unterein-
ander die Ursache für das zu beobachtende Mißverhältnis. Ich möchte
im folgenden diese vier Erklärungsversuche vorstellen und diskutieren.

6.2.1. LEWIS' "Krieg der Geschlechter"

I.M. LEWIS'(1966; 1971) Oberblick über den Schamanismus und die Beses-
senheitskulte verschiedener Gesellschaften sowie seine eigene Feld-
forschung in Somalia führten ihn zu der Hypothese, daß die Häufigkeit
von Besessenheitsphänomenen bei Frauen auf einen Konflikt zwischen Män-
nern und Frauen in von Männern beherrschten Gesellschaften zurückzu-
führen sei. Die Vormachtstellung der Männer impliziere eine Unterord-
nung und Deprivation der Frauen, die sich in ihrer sozialen und poli-
tischen peripheren Stellung bekunden. Dies führe zu Feindseligkeiten
zwischen Männern und Frauen. Trance und Besessenheit seien psychologi-
sche Befreiungen von den sich daraus ergebenden Spannungen. Er sieht in
der Besessenheit der Frauen ein Mittel, ihre soziale Unzufriedenheit
auszudrücken und zeitweise zu beheben, indem sie an einem rituellen
Kontext teilnehmen, den sie beherrschen bzw. in dessen Mittelpunkt sie
stehen. Darüber hinaus sei Besessenheit eine Möglichkeit, weibliche
 
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