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Farbe und Metapher

der poetischen Struktur von Raphaels Darstellung die Tugendhaftigkeit schlechthin
zu verkörpern . Auch diese Personifikation findet in der Hypnerolomachia ein
Pendant, in der in Schrift und Bild vergegenwärtigten weihlichen Personifikation
des irdischen Ruhmes< (»Gloria mundi«), die als Frau in strenger Kleidung Poliphi-
lo die Attribute von Schwert und Krone darbietet, zu deren Wahl ihn die weihliche
Personifikation der Vernunft (Logisticci) zu überreden versucht .

Zwischen den beiden weihlichen Personifikationen lagert in Raphaels Darstel-
lung auf seinen Schild gestützt der >träumende Ritter< in seiner Lorica unter dem
Lorbeerbaum: Auf ihm hat Raphael eine Summe des Farbigen versammelt, neben
dem tiefleuchtenden, kostbaren Ultramarin im Lederkoller und dem glühend in-
tensivierten Rot im Schild Moosgrün, Lachsorange, Grau, Braun und Ocker, so daß
seine Farbfigur die der beiden Personifikationen sowohl an farbiger Vielfalt, wie in
der Intensität der einzelnen Töne übertrifft!". Durch die z. T. bis ins Unwirkliche
gesteigerte ideal leuchtende Buntfarbigkeit hat Raphael der Rüstung und den
Waffen den Findruck des Martialischen genommen und hat an dem schlafenden
Ritter mehr das Jugendliche als das Heroische akzentuiert. Die Tatsache, daß
hierdurch der »Krieger für einen >Hercules all' antica< zu unmythologisch, und für
einen >Hercules alla francese<zu antikisch« erscheint, hatte Panofsky darauf zurück-
geführt, daß es »sich eben gar nicht um einen Hercules, sondern um einen jungen
Scipio >am Scheidewege<« handele92. Es gibt freilich für die anschauliche Gestalt des
Ritters eine näherhegende Erklärung: Bis in die Einzelheiten ihrer vielteiligen
Farbigkeit hinein entspricht die Figur des Ritters der nur wenig zuvor entstandenen
Darstellung der Uomini ülustri von Perugino im Collegio del Cambio in PerugiaJ3,
auf die sich Raphael unmittelbar als Modell für seine Deutung dieser Figur bezogen
hat, und zwar nicht auf Scipio, sondern auf die Figur des Horatius Codes"4. Es gibt
keine Anhaltspunkte dafür, daß dieser Zusammenhang als Zitat einer bestimmten
historischen Persönlichkeit zu verstehen ist. Vielmehr metaphorisiert Raphael
durch diese Allusion offenbar nur allgemein das Bild eines bedeutenden Mannest
Farbstilistisch ist die eigentümliche Verbindung aus der Eigenwertigkeit der Bunt-

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Entsprechende symbolische Zuordnungen zu den Symbolen von Schwert und Buch
waren in llerrschansallegorien verbreitet; vergleiche z. B. die Emblemata bei A. Hen-
kel und A. Schöne, Emblemata, 1996, Sp. 1505IT.
F. Colonna, llypnerotomachia Poliphili, 1964, Abb. auf S. 129.

Schon im ///. Michael (Abb. 6) und im ///. Georg (Paris, Louvre) hat sich Raphael von
dieser vielfarbigen Farbfigur peruginesker Herkunft gelöst (siehe zur koloritgeschichtli-
chen Einordnung dieser Farbfigur Kap. VI, S. 5601'.).
E. Panofsky, Hercules am Scheidewege, 1930, S. 78.

P. Scarpellini, Perugino, 1984, S. 95ff., S. 97f., S. 218, Abb. 160, S. 220, Abb. 165.
Abb.: S. Roettgen, Wandmalerei der Frührenaissance, 1996, Abb. 138.
 
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