Traum eines Ritters und Hypnerotomachia Poliphili
na omnia non nisi somnium esse docet.«09 Wie verbreitet dieser metaphorische
Vergleich des Lebens mit dem Traum im frühen 16. Jahrhundert war, belegt auch
z. B. Gianfrancesco Pico della Mirandola, der darüber meditiert, »daß das Leben
einem Traum ähnlich ist, flüchtig wie ein Schatten.« Um die Metaphorik von
Schlaf und Traum noch genauer zu verstehen, ist es wichtig, sie im Rontext ihrer
zeitgenössischen moralischen Bewertungen zu betrachten, die durchaus ambiva-
lent ausfallen: Nicht selten wurde der Zustand des Schlafs bis ins frühe 1 b'. Jahrhun-
dert moralisch negativ konnotiert, etwa wenn z. B. Gianfrancesco Pico della Miran-
dola an anderer Stelle in seinem 1501 publizierten Liber de imaginatione den
Schlaf der Krankheit an die Seite stellt, da in beiden Zuständen »die Ratio des
Menschen [...] verdunkelt [...und] ausgeschaltet« sei " . In ähnlich negativer Form
verwendeten auch Sperone Speroni und Castiglione den Schlaf als Metapher für die
Unwissenheit«102, und allen drei sind auch Träume als »Schatten der wahren Speise
des Intellekts« suspekt "". Bereits in Petrarcas Gedanken über Heilmittel gegen
Glück und Unglück streiten sich gleich im ersten Gespräch die allegorischen
Figuren von Ratio und Gaudium über die moralische Bewertung des Schlafs, die
natürlich von Seiten der Ratio aus negativ ausfällt, da der Schlaf den Geist verdun-
kele"11. Im Schlaf unterscheide »das Leben des Studierenden sich nicht von dem des
Dummkopfes«"". Fs bedurfte vor diesem Hintergrund in Baphaels Darstellung
schon eines spezifisch metaphorischen Eingriffs, um hier den Schlaf als einen
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105
Ebd., S. VII. Allgemein erwähnt auch F. Gandolfo (II >Dolce Tempos 1978, S. 22) die
Traumthematik in der Hypnerotomachia Poliphili.
G. Pico della Mirandola, Über die Vorstellung, 1986, S. 901'.: »vitam somno similem
ei umbrae instar evanescentem«.
G. Pico della Mirandola, Über die Vorstellung, 1986, S. 62f.: »Accidit enim plerum-
que ut eius ratio aut praepediatur morbo, aut somno detineatur, quae licet obfuscaretur
[non] aumquam.«
Vgl. S. Speroni, Dialogo delle lingue, 1975, S. 1 I8f'.:»...tal lingua, che quäle e il lume a'
colori, lale ella sia alle diseipline; senza il cui lume nulla vedrebbe il nostro umano
intelletto; ma in continua notte d' ignoranzia si dormirebbe.« B. Castiglione (II libro
del Cortegiano, 1987, Kap. XXII, S. 292) spricht von »sonno della ignoranzia«.
In dem Streitgespräch von S. Speronis Dialogo delle lingue (1975, S. 123) argumentiert
die Figur Peretto als Advocatus Diaboli, daß man »Sprachen nicht lernen und sie für
geistige Speisen halten, sondern für den Traum und den Schatten derwahren Speise des
Intellekts« halten solle (»...ma sogno ed ombra del vero eibo dell' intelletto«). Vgl. auch
G. Pico della Mirandola, Über die Vorstellung, 1986, S. 52f. und B. Castiglione, II
libro del Cortegiano, 1987, S. 292: »...come talor chi dorme da strane ed orribili visioni.«
F. Petrarca, Heilmittel gegen Glück und Unglück, 1988, S. 70f.: »f'uscat ingenia«.
Ebd., S. 75. Es sei hier nur angemerkt, daß Petrarca darüber hinaus ausgerechnet in
Scipio Af'ricanus das paradigmatische Gegenbild zu einem dem Schlaf hingegebenen
Menschen sah (ebd., S. 70f.)!
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na omnia non nisi somnium esse docet.«09 Wie verbreitet dieser metaphorische
Vergleich des Lebens mit dem Traum im frühen 16. Jahrhundert war, belegt auch
z. B. Gianfrancesco Pico della Mirandola, der darüber meditiert, »daß das Leben
einem Traum ähnlich ist, flüchtig wie ein Schatten.« Um die Metaphorik von
Schlaf und Traum noch genauer zu verstehen, ist es wichtig, sie im Rontext ihrer
zeitgenössischen moralischen Bewertungen zu betrachten, die durchaus ambiva-
lent ausfallen: Nicht selten wurde der Zustand des Schlafs bis ins frühe 1 b'. Jahrhun-
dert moralisch negativ konnotiert, etwa wenn z. B. Gianfrancesco Pico della Miran-
dola an anderer Stelle in seinem 1501 publizierten Liber de imaginatione den
Schlaf der Krankheit an die Seite stellt, da in beiden Zuständen »die Ratio des
Menschen [...] verdunkelt [...und] ausgeschaltet« sei " . In ähnlich negativer Form
verwendeten auch Sperone Speroni und Castiglione den Schlaf als Metapher für die
Unwissenheit«102, und allen drei sind auch Träume als »Schatten der wahren Speise
des Intellekts« suspekt "". Bereits in Petrarcas Gedanken über Heilmittel gegen
Glück und Unglück streiten sich gleich im ersten Gespräch die allegorischen
Figuren von Ratio und Gaudium über die moralische Bewertung des Schlafs, die
natürlich von Seiten der Ratio aus negativ ausfällt, da der Schlaf den Geist verdun-
kele"11. Im Schlaf unterscheide »das Leben des Studierenden sich nicht von dem des
Dummkopfes«"". Fs bedurfte vor diesem Hintergrund in Baphaels Darstellung
schon eines spezifisch metaphorischen Eingriffs, um hier den Schlaf als einen
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Ebd., S. VII. Allgemein erwähnt auch F. Gandolfo (II >Dolce Tempos 1978, S. 22) die
Traumthematik in der Hypnerotomachia Poliphili.
G. Pico della Mirandola, Über die Vorstellung, 1986, S. 901'.: »vitam somno similem
ei umbrae instar evanescentem«.
G. Pico della Mirandola, Über die Vorstellung, 1986, S. 62f.: »Accidit enim plerum-
que ut eius ratio aut praepediatur morbo, aut somno detineatur, quae licet obfuscaretur
[non] aumquam.«
Vgl. S. Speroni, Dialogo delle lingue, 1975, S. 1 I8f'.:»...tal lingua, che quäle e il lume a'
colori, lale ella sia alle diseipline; senza il cui lume nulla vedrebbe il nostro umano
intelletto; ma in continua notte d' ignoranzia si dormirebbe.« B. Castiglione (II libro
del Cortegiano, 1987, Kap. XXII, S. 292) spricht von »sonno della ignoranzia«.
In dem Streitgespräch von S. Speronis Dialogo delle lingue (1975, S. 123) argumentiert
die Figur Peretto als Advocatus Diaboli, daß man »Sprachen nicht lernen und sie für
geistige Speisen halten, sondern für den Traum und den Schatten derwahren Speise des
Intellekts« halten solle (»...ma sogno ed ombra del vero eibo dell' intelletto«). Vgl. auch
G. Pico della Mirandola, Über die Vorstellung, 1986, S. 52f. und B. Castiglione, II
libro del Cortegiano, 1987, S. 292: »...come talor chi dorme da strane ed orribili visioni.«
F. Petrarca, Heilmittel gegen Glück und Unglück, 1988, S. 70f.: »f'uscat ingenia«.
Ebd., S. 75. Es sei hier nur angemerkt, daß Petrarca darüber hinaus ausgerechnet in
Scipio Af'ricanus das paradigmatische Gegenbild zu einem dem Schlaf hingegebenen
Menschen sah (ebd., S. 70f.)!
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