Farbe und Metapher
>moralisch< bewertete'08. So problematisch diese schematische Systematisierimg im
einzelnen ist, so zeigt sie doch im ganzen, wie groß das Bedürfnis in dieser Zeit war,
die ästhetische Wirkung der Farben auf eine ethische Bedeutung hin zu befragen.
Interessant ist dabei auch Occoltis ausführliche Diskussion um die Bewertung des
Schwarz, die wiederum die für die visuelle Kultur des frühen 16. Jahrhunderts
symptomatische Überlagerung der Farbsymbolik durch farbmetaphorische Deutun-
gen zeigt: Ausdrücklich widerspricht Occolti der Festlegung der sittlichen Wirkung
des Schwarz auf die christliche Farbsymbolik als Begräbnisfarbe, wie sie z. 15. bei
Alciatus referiert wird139, und betont demgegenüber - wie Dolce, Thylesius und
Ecpücola - die Wirkung von »gravi tä e fermezza« im Schwarz, mit dem Argument,
daß das Schwarz in seiner anschaulichen koloristischen Erscheinung unzugänglich
und unbewegt sei und sich nicht mit anderen Farben verbinde: »|... ] si vede il negro
esser perpetuamente tanto fermo et immobile di colore che, nel suo proprio sempre
rimanendo, non si cangia mai in alcuno altro. E questa ragione per se stessa mi pare
essere di tanto valore in oppugnare le altrui e difendere le mie [...]« ' . In dieser
Argumentation wird der sinnlichen Evidenz in der farbmetaphorischen Deutung
des Schwarz mehr vertraut als der farbsymbolischen Konvention! Und von diesem
Standpunkt aus weist Occolti auch die eigentümliche Argumentation von Morato
zurück, der aus der Unwandelbarkeit des Schwarz als Mangel eine Verbindung zur
Tollheit (pazzia) abgeleitet hatte141. Schon Lorenzo Valla142 hatte sich gegen die
farbsymbolischen Hierarchien, in denen das Schwarz herabgesetzt wird, gewendet,
wohingegen Carolus Bovillus in seinem 1510 publizierten Liber de sapienle am
traditionellen Gegensatz der moralischen Bewertungen von Weiß und Schwarz
festhielt, den er freilich auf neue Weise kunstvoll metaphorisiert . Auch Francois
Rabelais hielt in seinem 1532 erstmals publizierten Roman Gargantua an Schwarz
als Farbe der Trauer fest, begründet dies aber auf neue farbmetaphorische Weise
aus der lebensweltlichen Erfahrung der Nacht, die »traurig, melancholisch und
leichenhaft [...,] schwarz und finster durch Entbehrung« sei : Die Natur selbst
gebe »Grund und Antrieb [...], den jeder bald von selbst verstehn kann ohn ander-
138 Zutreffend beschreibt Tu. Lerscii (Farbenlehre, 1981, Sp. 194), daß Occolti versucht,
»die Symbolik der Farben phänomenologisch zu begründen«.
139 A. Alciatus, Emblemata, 1969, Sp. 1292.
140 M. C. Occolti, Trattato de' colori, 1975, S. 2205.
'« Ebd., S. 2I65IT.
142 M. Baxandall, Giotto and the orators, 1971, S. 169f.
143 C. Bovillus, Liber de sapiente, 1987, S. 589. Siehe hierzu auch weiterführend Verf.,
Homo absconditus. Dunkelheit als Metapher im Porträt der frühen Neuzeit, 1997, S. 58ff.
111 F. Rabelais, Gargantua und Pantagruel, 1964, S. 54. Vgl. Ders., CEuvres, 1915, S. 105.
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>moralisch< bewertete'08. So problematisch diese schematische Systematisierimg im
einzelnen ist, so zeigt sie doch im ganzen, wie groß das Bedürfnis in dieser Zeit war,
die ästhetische Wirkung der Farben auf eine ethische Bedeutung hin zu befragen.
Interessant ist dabei auch Occoltis ausführliche Diskussion um die Bewertung des
Schwarz, die wiederum die für die visuelle Kultur des frühen 16. Jahrhunderts
symptomatische Überlagerung der Farbsymbolik durch farbmetaphorische Deutun-
gen zeigt: Ausdrücklich widerspricht Occolti der Festlegung der sittlichen Wirkung
des Schwarz auf die christliche Farbsymbolik als Begräbnisfarbe, wie sie z. 15. bei
Alciatus referiert wird139, und betont demgegenüber - wie Dolce, Thylesius und
Ecpücola - die Wirkung von »gravi tä e fermezza« im Schwarz, mit dem Argument,
daß das Schwarz in seiner anschaulichen koloristischen Erscheinung unzugänglich
und unbewegt sei und sich nicht mit anderen Farben verbinde: »|... ] si vede il negro
esser perpetuamente tanto fermo et immobile di colore che, nel suo proprio sempre
rimanendo, non si cangia mai in alcuno altro. E questa ragione per se stessa mi pare
essere di tanto valore in oppugnare le altrui e difendere le mie [...]« ' . In dieser
Argumentation wird der sinnlichen Evidenz in der farbmetaphorischen Deutung
des Schwarz mehr vertraut als der farbsymbolischen Konvention! Und von diesem
Standpunkt aus weist Occolti auch die eigentümliche Argumentation von Morato
zurück, der aus der Unwandelbarkeit des Schwarz als Mangel eine Verbindung zur
Tollheit (pazzia) abgeleitet hatte141. Schon Lorenzo Valla142 hatte sich gegen die
farbsymbolischen Hierarchien, in denen das Schwarz herabgesetzt wird, gewendet,
wohingegen Carolus Bovillus in seinem 1510 publizierten Liber de sapienle am
traditionellen Gegensatz der moralischen Bewertungen von Weiß und Schwarz
festhielt, den er freilich auf neue Weise kunstvoll metaphorisiert . Auch Francois
Rabelais hielt in seinem 1532 erstmals publizierten Roman Gargantua an Schwarz
als Farbe der Trauer fest, begründet dies aber auf neue farbmetaphorische Weise
aus der lebensweltlichen Erfahrung der Nacht, die »traurig, melancholisch und
leichenhaft [...,] schwarz und finster durch Entbehrung« sei : Die Natur selbst
gebe »Grund und Antrieb [...], den jeder bald von selbst verstehn kann ohn ander-
138 Zutreffend beschreibt Tu. Lerscii (Farbenlehre, 1981, Sp. 194), daß Occolti versucht,
»die Symbolik der Farben phänomenologisch zu begründen«.
139 A. Alciatus, Emblemata, 1969, Sp. 1292.
140 M. C. Occolti, Trattato de' colori, 1975, S. 2205.
'« Ebd., S. 2I65IT.
142 M. Baxandall, Giotto and the orators, 1971, S. 169f.
143 C. Bovillus, Liber de sapiente, 1987, S. 589. Siehe hierzu auch weiterführend Verf.,
Homo absconditus. Dunkelheit als Metapher im Porträt der frühen Neuzeit, 1997, S. 58ff.
111 F. Rabelais, Gargantua und Pantagruel, 1964, S. 54. Vgl. Ders., CEuvres, 1915, S. 105.
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