Farbe und Metapher
helfen, unser Verständnis der Komplexität und der historischen Dynamik der visu-
ellen Kultur des 16. Jahrhunderts jenseits der üblichen schematischen stilge-
schichtlichen Unterteilungen zu differenzieren172. In der metaphorischen Deutung
der Farbe wurden - wie besonders bei Dolce und Equicola erkennbar ist - drei
Bereiche für die Deutung des Farbigen hinzugewonnen und systematisch< erkun-
det, erstens die antiken Traditionen der Farbe, zweitens die Farbmetaphorik der
Poesie und Literatur, und drittens das sinnlich-sittliche Potential in der anschauli-
chen Wirkung der Farbe selbst. Die christliche Farbsymbolik wird dabei nicht
aufgegeben, sondern zu einer von mehreren Referenzebenen relativiert. Dies er-
beut z. B. das merkwürdige Phänomen, daß sich Rapbael in seiner Malerei nicht
selten innerhalb der farbsymbolischen >Üblichkeiten< bewegt, ohne daß hieraus
- etwa in den Madonnenbildern - irgendetwas für seine thematische Deutung
erklärt werden kann.
Nimmt man die Aussagen zur Farbe in der Kunstliteratur des 16. Jahrhundert
mit ihren vielfältigen farbmetaphorischen Deutungsmöglichkeiten ernst , dann
ist das methodische Programm, die Bedeutung von Farben isoliert aus einem Kanon
symbolisch vorbestimmter Farbbedeutungen abzuleiten, auch im reduzierten Rang
humanistischer color Conventions, wie es jüngst wieder Moshe Barasch vorgeschla-
gen hat, nicht mehr aufrecht zu halten1'*. Der einzelnen Farbe fehlt es dazu an
farbsymbolischer Eindeutigkeit, und es ist nicht schwer, die Problematik in Ba-
.1 fingst hat P. Rubin (The art of COlour, 1991, S. 1891'.) in anderer Weise und - wie ich
finde- überzeugend mit Blickauf das Kolorit von RossoFiorentinoundJacopo Pontonno
als »poet-painter[s]« gesprochen. Vgl. hierzu auch schon E. Maurers thematische
Deutung »Zum Kolorit von Pontormos >Deposizione<«, 1980, S. 31511'. Tu. Puttfarken
(The dispute about Disegno e Colore in Venice, 1991, S. 75IT.) arbeitet mit Recht den
Hang der Farben im Rahmen der theoretischen Überlegungen Pinos und Dolces für die
venezianische Malerei heraus.
M. Barascii (Renaissance color Conventions, 1987, S. 143) wertet demgegenüber die
Beschäftigung mit den literarischen Quellen zur Bedeutung der Farbe als »a purely
lilerary exercise« und sieht nach wie vor die liturgische Farbsymbolik im Vordergrund
stellen. Barasch ist darüber hinaus der Ansicht, dal! »die Humanisten« letztlich mit ihren
Überlegungen zur Farbe die liturgische Farbsymbolik festigen wollten: »I venture the
Suggestion, though 1 cannot prove it here, that by so carefully observing ihe variety of
tones the humanists attempted lo undersland, tf not to solve, the ambiguily of colors. If
tbis isso, the humanists mademanilest what was implied in the lilurgical canon, namely,
lliat ihe Convention is determined by the expressive character of the color.« (Ebd.)
Schon E. Gombricii (Raphael's Stanza della Segnatura, 1972, S. 95f.) kritisierte am
Beispiel der Farbsymbolik in Raphaels Deckenfresko in der Slanza della Segnaturaza
weitreichende farbikonographische Interpretationen. Auch M. Baxandall (Die Wirk-
lichkeit der Bilder, S. I081T.) und .1. Gage (Colourand eulture, S. 120ff.) haben auf das
methodische Problem symbolischer Modifizierungen aufmerksam gemacht.
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helfen, unser Verständnis der Komplexität und der historischen Dynamik der visu-
ellen Kultur des 16. Jahrhunderts jenseits der üblichen schematischen stilge-
schichtlichen Unterteilungen zu differenzieren172. In der metaphorischen Deutung
der Farbe wurden - wie besonders bei Dolce und Equicola erkennbar ist - drei
Bereiche für die Deutung des Farbigen hinzugewonnen und systematisch< erkun-
det, erstens die antiken Traditionen der Farbe, zweitens die Farbmetaphorik der
Poesie und Literatur, und drittens das sinnlich-sittliche Potential in der anschauli-
chen Wirkung der Farbe selbst. Die christliche Farbsymbolik wird dabei nicht
aufgegeben, sondern zu einer von mehreren Referenzebenen relativiert. Dies er-
beut z. B. das merkwürdige Phänomen, daß sich Rapbael in seiner Malerei nicht
selten innerhalb der farbsymbolischen >Üblichkeiten< bewegt, ohne daß hieraus
- etwa in den Madonnenbildern - irgendetwas für seine thematische Deutung
erklärt werden kann.
Nimmt man die Aussagen zur Farbe in der Kunstliteratur des 16. Jahrhundert
mit ihren vielfältigen farbmetaphorischen Deutungsmöglichkeiten ernst , dann
ist das methodische Programm, die Bedeutung von Farben isoliert aus einem Kanon
symbolisch vorbestimmter Farbbedeutungen abzuleiten, auch im reduzierten Rang
humanistischer color Conventions, wie es jüngst wieder Moshe Barasch vorgeschla-
gen hat, nicht mehr aufrecht zu halten1'*. Der einzelnen Farbe fehlt es dazu an
farbsymbolischer Eindeutigkeit, und es ist nicht schwer, die Problematik in Ba-
.1 fingst hat P. Rubin (The art of COlour, 1991, S. 1891'.) in anderer Weise und - wie ich
finde- überzeugend mit Blickauf das Kolorit von RossoFiorentinoundJacopo Pontonno
als »poet-painter[s]« gesprochen. Vgl. hierzu auch schon E. Maurers thematische
Deutung »Zum Kolorit von Pontormos >Deposizione<«, 1980, S. 31511'. Tu. Puttfarken
(The dispute about Disegno e Colore in Venice, 1991, S. 75IT.) arbeitet mit Recht den
Hang der Farben im Rahmen der theoretischen Überlegungen Pinos und Dolces für die
venezianische Malerei heraus.
M. Barascii (Renaissance color Conventions, 1987, S. 143) wertet demgegenüber die
Beschäftigung mit den literarischen Quellen zur Bedeutung der Farbe als »a purely
lilerary exercise« und sieht nach wie vor die liturgische Farbsymbolik im Vordergrund
stellen. Barasch ist darüber hinaus der Ansicht, dal! »die Humanisten« letztlich mit ihren
Überlegungen zur Farbe die liturgische Farbsymbolik festigen wollten: »I venture the
Suggestion, though 1 cannot prove it here, that by so carefully observing ihe variety of
tones the humanists attempted lo undersland, tf not to solve, the ambiguily of colors. If
tbis isso, the humanists mademanilest what was implied in the lilurgical canon, namely,
lliat ihe Convention is determined by the expressive character of the color.« (Ebd.)
Schon E. Gombricii (Raphael's Stanza della Segnatura, 1972, S. 95f.) kritisierte am
Beispiel der Farbsymbolik in Raphaels Deckenfresko in der Slanza della Segnaturaza
weitreichende farbikonographische Interpretationen. Auch M. Baxandall (Die Wirk-
lichkeit der Bilder, S. I081T.) und .1. Gage (Colourand eulture, S. 120ff.) haben auf das
methodische Problem symbolischer Modifizierungen aufmerksam gemacht.
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