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Ansatzpunkte

Sichtbarkeitsmetaphorik aus der Verbindung des Göttlichen mit dem Sonnenlicht
auch in der Bildvorstellung der Künstler im 16. Jahrhundert gegenwärtig war, zeigt
z. B. die ergreifende Schilderung einer Sonnenvision des - elitärer Gelehrtheit
sicherlich unverdächtigen - Bildhauers Benvenuto Cellini, der in seiner Autobio-
graphie folgendes Erlebnis beschreibt: »Mir schien die Sonne, ohne ihre Strahlen,
vollkommen wie ein Bad des reinsten Goldes. [...] auf einmal erzeugte sich ein
Christus am Kreuz aus derselben Materie, woraus die Sonne war |... |. Indessen ich
ihn betrachtete, rief ich laut: [...] was machst du mich würdig diesen Morgen zu
sehen! [...] die Mitte der Sonne fing abermals an, sich aufzublähen. Diese Bewegung
wuchs eine Weile und verwandelte sich schnell in die Gestalt der schönsten heiligen
Jungfrau. Sie saß erhaben, ihren Sohn auf dem Arm, in der gefälligsten Stellung und
gleichsam lächelnd.«'"'

Nicht weniger vertraut war den Menschen im 16. Jahrhundert schließlich die
Farbmetapher des blauen Himmels als visueller Hinweis auf das Göttliche: Andreas
Alciatus z. B. rät denjenigen, die »stets sein beschwert / Mit hohen [Ge]dancken
Himmlischer ding« (»coelestia vates / Attoniti nimia relligione petunt«), ohne
Umschweife, Blau als Kleiderfarbe zu tragen"'; und Lodovico Dolce spricht von Blau
(ceruleo) als »il color del cielo« bzw. als »colore cilestre« und verweist auf Petrarcas
diesbezügliche poetische Metaphorisierungen1'. Und selbst Francois Babelais hebt
in seiner launigen Ausdeutung der Kleiderfarben des Gargantua und in seinen
allgemeinen Ausführungen zur Bedeutung der Farben hervor, daß Blau »gewißlich
den Himmel und die himmlischen Ding« bedeute18. Auch diese Sichtbarkeitsmeta-
phorik seiner Zeit nimmt Raphael in einigen seiner Madonnenbilder auf, wobei er
seine kunstvolle Himmelsmetaphorik auch auf den blauen Marienmantel farbge-
stalterisch ausdehnen konnte.

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allgemein II. Blumenberg, Licht als Metapher der Wahrheit, 1957, S. 452-447, W. Bei-

ERWALTES, Lieht, 1980, Sp. 282fT.; ÜERS., Linnen naturale, 1980, Sp. 547IT. und mit

Bezug auf Raphael weiterführend Kap. V, S. 256IT. und Kap. VI, S. 363ff.

B. Cellini, Leben des Benvenuto Cellini, 1924, S. 252. Vgl. Ders., La vita cli Benvenuto,

i960, S. 756: »Mi pareva questo sole sanza i razzi sua, ne piü ne manco, un bägno di

purissimo oro istrutto. [...] ed in un tratto si fece un Cristo in croce della medesima cosa

che era il sole [...]; e, in mentre che io consideravo tal cosa, dicevo forte: [...] di che cosa

mi Tai tu degno questa mattina! [...] e, in nel mezzo del sole di nuovo gonfiava, si come

aveva fatto prima e, cresciuto il gonlio, subito si converti in una forma d' una bellissima

Madonna quäl mostrava di essere a sedere, in modo molto alto con il ditto figliuolo in

braccio in alto piacevolissimo, quasi ridente«.

Alciatus, Emblemata, 1996, Sp. 12921'.

L. Dolce, Dialogo, 1985, S. 9r-9v.

F. Rabelais, Gargantua und Pantagruel, 1964, S. 56; vgl. Ders., (Hivres, 1915, S. 95,

112: »le bleu signilie eertainement le ciel et choses Celestes«.

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