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La Muta und La Gn

AV1DA

schwelligen Befangenheiten in der Figurenkomposition der Muta über die - mit
Blick auf die Heterogenität im farbgestalterischen Detail diskutierte - Frage der
Beteiligung eines Mitarbeiters hinaus auch durch einen, offenbar von äußeren
Umstanden bedingten, zeitlich ungewöhnlich lange ausgedehnten und dadurch
verkomplizierten Werkprozeß erklärlich ist, machen die Ergebnisse der Infrarotre-
flektographie wahrscheinlich: Die auf diesem Wege sichtbar gewordene Unter-
zeichnung im Bildnis der Muta muß aus stilistischen Gründen schon einige Jahre
vor der 1507/8 erfolgten farbigen Ausführung begonnen worden sein, auch wenn
mir die vorgeschlagene Datierung auf >vor 1501<"" um wenigstens zwei bis drei
Jahre zu früh angesetzt zu sein scheint"''. Aus dieser extremen zeitlichen Zweitei-
lung von zeichnerischem Entwurf und farbiger Ausführung der Muta erklärt sich
auch die Disparität der älteren Vorschläge zur zeitlichen Entstehung dieses Bildnis-

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ses

Unabhängig von diesen notwendigen stilkritischen Differenzierungen innerhalb
der farbigen Ausführung bilden die Muta und die Gravida in ihrer neuartigen Form
der metaphorischen Charakterisierung des Seelischen zwei bedeutende Bildern'n-
dungen Baphaels in der Geschichte des neuzeitlichen Frauenporträts. In dieser
Hinsicht ist es aufschlußreich, sich noch einmal zu fragen, welche anschauliche
Zusammenhänge die Muta überhaupt erst zur >Stummen< machen, denn tatsäch-
lich beschreibt ihre Benennung, wenn schon keine historische Eigenschaft der
Dargestellten, so doch eine metaphorische Struktur der Darstellung: Das aus-
druckshafte Gefälle von der Beredtheit der Hände zur nachgerade schweigenden
Insistenz des Gesichts. Der Maler verdeutlicht die durch die Helldunkelkontrastik
noch hervorgehobene anschauliche Differenz zwischen einem auch in seiner wäch-
sernen Farbigkeit verschlossenen Gesicht und den sprechenden Händen, und es ist
diese Differenz, die die Muta in Verbindung mit der zurückgenommen Koloristik
zu einer >Stummen< macht. Die im Licht bewußt als isoliertes Motiv exponierten
Hände ziehen in ihrer nahsichtigen Detaillierung und in der eigenartig forcierten
Intentionalität, mit der der Zeigefinger am untersten Band vom Zentrum weg zum

Urbino e le Marche, 1983, S. 2270'., 231 IT. Die Restauratoren weisen zudem auf einen

zusätzlichen Eingriff von zweiter I land< in den Schulterpartien hin. Vgl. M. A. Zancan

(Kiif'l'aello, 1989, S. 67).

Aus Raphaels Zeichnungskorpus bietet sich zur Unterstützung dieser späteren Datierung

der Vorzeichnung der Muta in. E. vorallem derVergleich mit der Zeichnung einerjungen

Dame im British Museum an (schwarze Kreide, 25,9 x 18,3 cm, Inv.-Nr. 1895-9-15-613),

die in der Forschung auf 1502/3 datiert wird (J. A. Gere; N. Turner, Drawings by

Raphael, 1983, S. 88IT., Abb. Nr. 68; E. Knab, E. Mitscii, K. Oberhuber, Raphael. Die

Zeichnungen, 1983, Nr. 73).

L. Dussler, Raffael, 1966, S. 72, Nr. 128; Gli Uffizi, 1980, S. 441.

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