IUphaels Blick auf df.n Menschen
Bildrand verweist, immer wieder die Aufmerksamkeit der Betrachtung auf sich,
ohne daß die Dargestellte den Gegenstand dieses Weisens preisgibt. Die Geste weist
vordergründig auf etwas Hintergründiges, das unbestimmt und unsichtbar jenseits
der Bildgrenzen bleibt, das vom Zentrum und menschlichen Kern der Dargestellten
wegführt ""', und doch mit diesem als unmittelbar charakterisierend zusammenge-
sehen wird. Es bleibt eine stumme Anweisung der Dargestellten an den Betrachter,
die- und dies ist neuartig gegenüber der Menschendarstellung im 15. Jahrhundert
- für die Anschauung unaufhebbar und zugleich uneinholbar ist.
Im Bikinis der Gravida (Abb. 51) hat Baphael demgegenüber wie niemals zuvor
in einer neuzeitlichen Porträtdarstellung einer Frau mit außerordentlicher
menschlicher Auffassungsgabe, mit sensiblem Einfühlungsvermögen und neuen
Darstellungsmitteln die ambivalente Seelenlage einer schwangeren Frau mit ihren
inneren und äußeren Gewichtsverschiebungen veranschaulicht: Die Asymmetrien
in der Farbkomposition des Körpers mit dem farbig abgesetzten und hell akzentu-
ierten Leibzentrum, auf dem ihre Hand ruht, sind dabei ebenso sprechend, wie die
Metapher des verschatteten Gesichts. Gegenüber der physischen Präsenz der
schwellend ins Hell tretenden Leibrundung, die durch die über sie nach unten
hinwegslrömenden Plisseespuren des Stoffes über eine eigene, virtuelle Lebendig-
keit verfügt, hat Baphael das Gesicht - mit ähnlichen visuellen Mitteln, wie in
seinem Selbstbildnis (Abb. 24) - durch die unsubstantielle und fast neutralfarbige
Karnation, durch einen weitflächigen 1 laibschatten und schließlich durch den nach
innen orientierten Blick entrückt. Die über die linke Gesichtshälfte ausgebreiteten
schattigen Dämpfungen reduzieren weitgehend die körperliche Modellierung,
ohne aber - wie z. B. im Bildnis des Agnolo Doni (Abb. 27) - für den Betrachter
undurchsichtig zu werden. Die Erscheinung des Körperlichen bleibt im warmen
1 laiblicht des Schattens in einem reduzierten Modus ihrer physischen Verwirkli-
chung für die Anschauung transparent und ist zugleich durch die auf das Inkarnat
konzentrierte ideale Helle, deren räumliche Herkunftvon einem steil von links oben
einfallenden Licht vor dem schwarzen Grund unsichtbar bleibt, mit einem irreal
verklärenden Licht verschränkt. Auf diesem Wege deutet Baphael das partielle
Zurücktreten der körperlichen Präsenz in der Verschattung des Gesichts nicht als
Verhüllung, sondern als Verwandlung des Körperlichen, die die Schwangere selbst
zu reflektieren scheint.
iii
Die von G. Boehm zu Beeilt an Raphaels Porträts allgemein hervorgehobene »Ausschal
hing extremer oder gar exzentrischer Affekte« trifft auf das Porträt der Muta nicht zu
(Bildnis und Individuum, 1985, S. 222).
306
Bildrand verweist, immer wieder die Aufmerksamkeit der Betrachtung auf sich,
ohne daß die Dargestellte den Gegenstand dieses Weisens preisgibt. Die Geste weist
vordergründig auf etwas Hintergründiges, das unbestimmt und unsichtbar jenseits
der Bildgrenzen bleibt, das vom Zentrum und menschlichen Kern der Dargestellten
wegführt ""', und doch mit diesem als unmittelbar charakterisierend zusammenge-
sehen wird. Es bleibt eine stumme Anweisung der Dargestellten an den Betrachter,
die- und dies ist neuartig gegenüber der Menschendarstellung im 15. Jahrhundert
- für die Anschauung unaufhebbar und zugleich uneinholbar ist.
Im Bikinis der Gravida (Abb. 51) hat Baphael demgegenüber wie niemals zuvor
in einer neuzeitlichen Porträtdarstellung einer Frau mit außerordentlicher
menschlicher Auffassungsgabe, mit sensiblem Einfühlungsvermögen und neuen
Darstellungsmitteln die ambivalente Seelenlage einer schwangeren Frau mit ihren
inneren und äußeren Gewichtsverschiebungen veranschaulicht: Die Asymmetrien
in der Farbkomposition des Körpers mit dem farbig abgesetzten und hell akzentu-
ierten Leibzentrum, auf dem ihre Hand ruht, sind dabei ebenso sprechend, wie die
Metapher des verschatteten Gesichts. Gegenüber der physischen Präsenz der
schwellend ins Hell tretenden Leibrundung, die durch die über sie nach unten
hinwegslrömenden Plisseespuren des Stoffes über eine eigene, virtuelle Lebendig-
keit verfügt, hat Baphael das Gesicht - mit ähnlichen visuellen Mitteln, wie in
seinem Selbstbildnis (Abb. 24) - durch die unsubstantielle und fast neutralfarbige
Karnation, durch einen weitflächigen 1 laibschatten und schließlich durch den nach
innen orientierten Blick entrückt. Die über die linke Gesichtshälfte ausgebreiteten
schattigen Dämpfungen reduzieren weitgehend die körperliche Modellierung,
ohne aber - wie z. B. im Bildnis des Agnolo Doni (Abb. 27) - für den Betrachter
undurchsichtig zu werden. Die Erscheinung des Körperlichen bleibt im warmen
1 laiblicht des Schattens in einem reduzierten Modus ihrer physischen Verwirkli-
chung für die Anschauung transparent und ist zugleich durch die auf das Inkarnat
konzentrierte ideale Helle, deren räumliche Herkunftvon einem steil von links oben
einfallenden Licht vor dem schwarzen Grund unsichtbar bleibt, mit einem irreal
verklärenden Licht verschränkt. Auf diesem Wege deutet Baphael das partielle
Zurücktreten der körperlichen Präsenz in der Verschattung des Gesichts nicht als
Verhüllung, sondern als Verwandlung des Körperlichen, die die Schwangere selbst
zu reflektieren scheint.
iii
Die von G. Boehm zu Beeilt an Raphaels Porträts allgemein hervorgehobene »Ausschal
hing extremer oder gar exzentrischer Affekte« trifft auf das Porträt der Muta nicht zu
(Bildnis und Individuum, 1985, S. 222).
306