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Einführung
Kunstausstellung ziehen wollte: „je veux des maitres“, dieses stolze
Wort, daß es nur auf die Großen und gar nicht auf die zahllosen
kleinen Künstler ankomme, paßt noch mehr als auf eine Kunst-
ausstellung, in der es naturgemäß von kleinen Leuten wimmelt, auf
einen aus größerem zeitlichen Abstand gewonnenen Rechenschafts-
bericht. Denn mit der Zeit, der unparteiischsten Richterin in Kunst-
fragen, werden die Großen immer größer, die Mittelmäßigkeiten
immer mittelmäßiger. Wenn etwas anscheinend Neues im Augen-
blick seiner Entstehung schon kunsthistorisch oder entwicklungs-
geschichtlich interessant oder gar bedeutend wirkt, stellt sich später
meistens heraus, daß es, wie etwa der Neoimpressionismus, im
Grunde gar nichts entwickelt hat, wenigstens keine großen Lei-
stungen. Und auf sie allein kommt es an. Wichtiger als alle Stile
ist die Persönlichkeit. Und es gibt so viele Stile wie es schöpferische
Persönlichkeiten gibt.
Ebenso wie der entwicklungsgeschichtliche Standpunkt der Be-
trachtung vor dem Künstlerischen versagt, ebenso versagt der eben-
falls für sehr wissenschaftlich gehaltene Standpunkt, der die Kunst
erklären möchte als eine Äußerung der verschiedensten politischen
und sozialpolitischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zu-
stände eines Landes und einer Epoche. Das Verbundensein mit der
marxistischen Weltanschauung macht den, der sich zu dieser Lehre
bekennt, nicht um einen Ton geeigneter, die Wirkung eines Kunst-
werks in sich aufzunehmen, als einen Individualisten aus Über-
zeugung oder als den, der an die „Lehre vom Milieu“ glaubt. Natür-
lich spielen auch diese Fragen bei der inneren Bildung einer Persön-
lichkeit mit. Aber beim Künstler nicht in stärkerem Maße als beim
Nichtkünstler; vielleicht sogar in geringerem Maße. Und nach wel-
chen Gesetzen sie mitsprechen, wissen wir nun einmal nicht. Wir
können nicht behaupten, daß ein Volk immer und regelmäßig in den
Zeiten politischen Glückes oder sozialen Wohlstandes auch große
schöpferische Künstler besaß, ganz abgesehen davon, daß es für den
Historiker ungeheuer schwer wäre, sich mit allen anderen Histori-
kern darüber zu einigen, was denn nun „Glück und Unglück in der
Weltgeschichte“ bedeute. Wir wissen nur, daß manchmal die Perio-
den äußeren Glanzes bei einem Volke auch unvergängliche Kunst-
werke hervorbrachten. Aber ebensogut wissen wir von anderen
solchen Perioden, noch dazu in der Geschichte desselben Volkes, wo
gar nichts künstlerisch Großes entstand. Und umgekehrt. Wohl war
Holland im 17. Jahrhundert, als die Großtaten der holländischen
Einführung
Kunstausstellung ziehen wollte: „je veux des maitres“, dieses stolze
Wort, daß es nur auf die Großen und gar nicht auf die zahllosen
kleinen Künstler ankomme, paßt noch mehr als auf eine Kunst-
ausstellung, in der es naturgemäß von kleinen Leuten wimmelt, auf
einen aus größerem zeitlichen Abstand gewonnenen Rechenschafts-
bericht. Denn mit der Zeit, der unparteiischsten Richterin in Kunst-
fragen, werden die Großen immer größer, die Mittelmäßigkeiten
immer mittelmäßiger. Wenn etwas anscheinend Neues im Augen-
blick seiner Entstehung schon kunsthistorisch oder entwicklungs-
geschichtlich interessant oder gar bedeutend wirkt, stellt sich später
meistens heraus, daß es, wie etwa der Neoimpressionismus, im
Grunde gar nichts entwickelt hat, wenigstens keine großen Lei-
stungen. Und auf sie allein kommt es an. Wichtiger als alle Stile
ist die Persönlichkeit. Und es gibt so viele Stile wie es schöpferische
Persönlichkeiten gibt.
Ebenso wie der entwicklungsgeschichtliche Standpunkt der Be-
trachtung vor dem Künstlerischen versagt, ebenso versagt der eben-
falls für sehr wissenschaftlich gehaltene Standpunkt, der die Kunst
erklären möchte als eine Äußerung der verschiedensten politischen
und sozialpolitischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zu-
stände eines Landes und einer Epoche. Das Verbundensein mit der
marxistischen Weltanschauung macht den, der sich zu dieser Lehre
bekennt, nicht um einen Ton geeigneter, die Wirkung eines Kunst-
werks in sich aufzunehmen, als einen Individualisten aus Über-
zeugung oder als den, der an die „Lehre vom Milieu“ glaubt. Natür-
lich spielen auch diese Fragen bei der inneren Bildung einer Persön-
lichkeit mit. Aber beim Künstler nicht in stärkerem Maße als beim
Nichtkünstler; vielleicht sogar in geringerem Maße. Und nach wel-
chen Gesetzen sie mitsprechen, wissen wir nun einmal nicht. Wir
können nicht behaupten, daß ein Volk immer und regelmäßig in den
Zeiten politischen Glückes oder sozialen Wohlstandes auch große
schöpferische Künstler besaß, ganz abgesehen davon, daß es für den
Historiker ungeheuer schwer wäre, sich mit allen anderen Histori-
kern darüber zu einigen, was denn nun „Glück und Unglück in der
Weltgeschichte“ bedeute. Wir wissen nur, daß manchmal die Perio-
den äußeren Glanzes bei einem Volke auch unvergängliche Kunst-
werke hervorbrachten. Aber ebensogut wissen wir von anderen
solchen Perioden, noch dazu in der Geschichte desselben Volkes, wo
gar nichts künstlerisch Großes entstand. Und umgekehrt. Wohl war
Holland im 17. Jahrhundert, als die Großtaten der holländischen