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ZEHNTER ABSCHNITT

Renoir
Nicht die Doktrin macht einen Künstler, sondern die Persönlich-
keit. Renoir, der mit Claude Monet befreundet war, mit den
Impressionisten ausstellte und im Jahre 1877 für Beibehaltung
dieses ursprünglich als Schmähwort geprägten Gruppennamens ein-
trat, hielt im Grunde seines Herzens von der impressionistischen
Lehre sehr wenig, und immer noch weniger, seit die Lehre zu etwas
wie einer Art von Weltanschauung geworden war. Woran er glaubte,
war Handwerk und Tradition, die Natur und der Louvre. Er hatte
im Freien gemalt, wie die Impressionisten, hatte wie sie die Schatten
violett gesehen, hatte sein Schwarz zeitweise aus Krapplackrot und
Ultramarinblau gemischt. Aber als das impressionistische Sehen
zum Selbstzweck wurde, kehrte er zum Elfenbeinschwarz zurück und
zur Komposition im alten Sinne und verehrte die alten Meister; nicht
nur Boucher und Watteau, die er in frühester Jugend, als brotlos
gewordener Porzellanmaler, auf billige Fächer kopieren mußte,
nicht nur Tizian und Velasquez, Rubens und Veronese, sondern
auch die Dekorationsmaler aus Pompei und Leute wie Vittore
Carpaccio. Ein Glied in der Kette der alten Meister bilden, das war
sein Ehrgeiz. „Diese Malerei im Freien, die so leuchtet, sieht nachher
im Zimmer so düster aus“, auch vor derart gefährlichen und vielleicht
ungerechten Worten hatte er keine Angst. Weil er kein System hatte.
Wie Manet, so malte Renoir alles, was es zu malen gab an schöner
Wirklichkeit. Immer nur das Leben, das sichtbare Leben. Aber
dabei führte er, anfangs wohl ohne es bestimmt zu wollen, die Kunst
wieder zu den alten Meistern zurück, von denen sie sich seit Monet
und den Impressionisten immer weiter entfernt hatte. Ingres und
Courbet, von deren Ideal fester plastischer Form er ausgegangen war,
damals, als er, drei, vier Jahre nach der „Olympia“ den „Knaben
mit der Katze“ und im Walde die „Lise“ malte, wurden in den acht-
ziger und neunziger Jahren wieder sein Ziel. Die Fülle der Form
bewahren, bei bewegtester, fließendster Atmosphäre, dies war sein
heimliches Verlangen. Von der im Fluge, nur so beim Hinsehen er-
oberten Fläche Manets hielt er nicht viel, und die Flüchtigkeit des
rauschhaft vorübergleitenden Eindrucks, das Impressionistische,
 
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