ZWÖLFTER ABSCHNITT
Die neue Monumentalität: Puvis de
Chavannes, Maurice Denis und Gauguin
Manets großer Wunsch war es gewesen, im Rathaus von Paris
Wandgemälde zu schaffen, mit Bildern aus dem Leben und
ihrer Gegenwart die Wände zu schmücken. Man hat ihm auf sein Ge-
such nicht geantwortet. Ob er wirklich den großen, malerischen Stil ge-
funden hätte? Seine Kunst der einfachen Flächen enthielt dekora-
tives Element genug, um sich dies wenigstens als möglich vorzustellen,
und gerade in den letzten Jahren entwickelte er seine Linie zu einer
Robustheit, die vieles versprach. Monumentalität ist nicht nur mit dem
Freskostil vergangener Epochen zu erreichen, überhaupt auch nicht
nur mit Altmeisterlichem, etwa im Sinne des von Couture ausgemünz-
ten Paolo Veronese. Delacroix’ Bild der „Barrikade“ kann man sich
mühelos an der Hauptwand eines Repräsentationsraumes denken, und
ein Saal, ausgestattet mit Bildern wie Daumiers großer „Wäscherin am
Kai“, oder seinem „Bootszieher“, entspräche nicht nur den höchsten
Forderungen an Monumentalität, sondern auch an moderne Malerei und
Gegenwartsdarstellung. Und das Beste, was in der ersten Hälfte des
Jahrhunderts anWandbild geschaffen wurde, Chasseriaus Fresken, sind
wegen dieses malerischen Elementes so unendlich viel bedeutender, als
die Fresken der reinen Klassizisten, deslngristen Flandrin zum Beispiel.
Chasseriaus Fortsetzer ward in der zweiten Hälfte des Jahrhun-
derts Puvis de Chavannes. Nach sehr kurzer Lehrzeit bei dem
kalten, blutlosen Akademiker Henry Scheffer, nach flüchtiger Be-
rührung mit Delacroix, bei dem Chasseriau so unglücklich endete,
und nach ebenfalls sehr kurzem und unfruchtbarem Aufenthalt im
Atelier Coutures suchte sich Puvis de Chavannes seinen eigenen Weg.
Erinnerungen an Italien, wo er sich als junger Mann nach schwerer
Krankheit lange aufgehalten hatte, beherrschten ihn. Er sah Lio-
nardo durch das Medium Luinis und träumte von diesem geheimnis-
vollen Sfumato der Mailänder, von jenen Dingen, die Chasseriau in
seinen Fresken so schön hatte wieder aufleben lassen. Und als er,
nach manchem Schwanken seinerMagnetnadel, sich, siebenunddreißig-
jährig, endlich selbst gefunden hatte, in den beiden Gemälden des
Die neue Monumentalität: Puvis de
Chavannes, Maurice Denis und Gauguin
Manets großer Wunsch war es gewesen, im Rathaus von Paris
Wandgemälde zu schaffen, mit Bildern aus dem Leben und
ihrer Gegenwart die Wände zu schmücken. Man hat ihm auf sein Ge-
such nicht geantwortet. Ob er wirklich den großen, malerischen Stil ge-
funden hätte? Seine Kunst der einfachen Flächen enthielt dekora-
tives Element genug, um sich dies wenigstens als möglich vorzustellen,
und gerade in den letzten Jahren entwickelte er seine Linie zu einer
Robustheit, die vieles versprach. Monumentalität ist nicht nur mit dem
Freskostil vergangener Epochen zu erreichen, überhaupt auch nicht
nur mit Altmeisterlichem, etwa im Sinne des von Couture ausgemünz-
ten Paolo Veronese. Delacroix’ Bild der „Barrikade“ kann man sich
mühelos an der Hauptwand eines Repräsentationsraumes denken, und
ein Saal, ausgestattet mit Bildern wie Daumiers großer „Wäscherin am
Kai“, oder seinem „Bootszieher“, entspräche nicht nur den höchsten
Forderungen an Monumentalität, sondern auch an moderne Malerei und
Gegenwartsdarstellung. Und das Beste, was in der ersten Hälfte des
Jahrhunderts anWandbild geschaffen wurde, Chasseriaus Fresken, sind
wegen dieses malerischen Elementes so unendlich viel bedeutender, als
die Fresken der reinen Klassizisten, deslngristen Flandrin zum Beispiel.
Chasseriaus Fortsetzer ward in der zweiten Hälfte des Jahrhun-
derts Puvis de Chavannes. Nach sehr kurzer Lehrzeit bei dem
kalten, blutlosen Akademiker Henry Scheffer, nach flüchtiger Be-
rührung mit Delacroix, bei dem Chasseriau so unglücklich endete,
und nach ebenfalls sehr kurzem und unfruchtbarem Aufenthalt im
Atelier Coutures suchte sich Puvis de Chavannes seinen eigenen Weg.
Erinnerungen an Italien, wo er sich als junger Mann nach schwerer
Krankheit lange aufgehalten hatte, beherrschten ihn. Er sah Lio-
nardo durch das Medium Luinis und träumte von diesem geheimnis-
vollen Sfumato der Mailänder, von jenen Dingen, die Chasseriau in
seinen Fresken so schön hatte wieder aufleben lassen. Und als er,
nach manchem Schwanken seinerMagnetnadel, sich, siebenunddreißig-
jährig, endlich selbst gefunden hatte, in den beiden Gemälden des