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Wemhoff, Matthias <Prof. Dr.>
Das Damenstift Herford: die archäologischen Ergebnisse zur Geschichte der Profan- und Sakralbauten seit dem späten 8. Jahrhundert (Band 1): Text — Bonn, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.29808#0030
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12

M. Wemhoff, Das Damenstift Herford

II.2 Periode II: Von der Gründung des
Stiftes bis zur Errichtung der ersten
Steingebäude (ca. 789 - um 820)

Bauphasen:

Zone I, II: Pfostenbauphase I

Zone III, IV, V, VI, VII, X, XII, XIII, XIV und XV:

Alter Friedhof
Zone VIII: Graben
Zone XI: östliche Hangkante

11.2.1 Archäologischer Befund

Friedhof

Unter den ersten Steinbauten befand sich ein ausge-
dehntes, geostetes Gräberfeld. An dessen West- und
Nordwesträndern wurden zugehörige Pfostenbauten
freigelegt. Die Grabverfüllungen enthielten mit wenigen
Ausnahmen keine Steinbauanzeiger wie Mörtel oder
Steinsplitt, so daß größere Steingebäude in dieser Phase
nicht vorhanden waren.

Belegungsdichte, Verhältnis der Geschlechter

Bei den Außengrabungen wurden insgesamt 89 Gräber
erfaßt. In der Wolderuskapelle konnten neun Gräber
und unter der heutigen Münsterkirche 41 Gräber festge-
stellt werden, so daß insgesamt 139 Bestattungen do-
kumentiert worden sind. Der Erhaltungszustand der
Skelette war nur im Lehmboden des Westteils der Zo-
nen III-VII gut. Unter der Münsterkirche und in Zone X
sind im sandigen Boden die Särge und Skelette nahezu
vollständig vergangen. Daher konnten nur Skelettreste
von 48 Individuen anthropologisch untersucht wer-
den.42

Das Ergebnis der Untersuchung belegt, daß es sich um
einen Gemeindefriedhof handelte, denn das Verhältnis
von Männem und Frauen war nahezu gleich, und Kin-
der und Jugendliche sind ebenfalls bestattet worden.
Männer und Frauen lagen häufig dicht nebeneinander,
so der zeitgleich mit der Frau in Grab 240 beerdigte
Mann in Grab 238 oder, direkt benachbart, der Mann in
Grab 239 neben der Frau in Grab 240. Gleiches gilt für
die Gräber 285 und 286 sowie 208 und 190.

Die wenigen dokumentierten Kindergräber lagen nicht
in einem gesonderten Friedhofsbereich, sondern zwi-
schen den Gräbern der Erwachsenen.43 Zwischen den
Bestattungen gibt es an einigen Stellen größere grab-
freie Räume, insbesondere im südwestlichen Randbe-

42 Siehe den Beitrag von E. Gaida in diesem Band.

43 Da Kindergräber in der Regel nicht so tief wie die Gräber Aus-
gewachsener eingetieft sind, ist davon auszugehen, daß ein Groß-
teil der Kindergräber durch spätere Baumaßnahmen, insbesondere
bei der Abtragung des Geländes nach dem Rathausbau zerstört
worden ist.

reich des Friedhofs. Es ist daher zu überlegen, ob nicht
familiäre oder andere Bindungen für die Wahl des
Grabplatzes maßgeblich gewesen sind. Ob die Belegung
nach Osten oder nach Westen stärker gewesen ist, läßt
sich nicht mit Bestimmtheit sagen, da unter der Mün-
sterkirche und in Zone X aufgrund der vielen neuzeitli-
chen Gräber keine flächige Erfassung des ersten Fried-
hofs vorgenommen werden konnte.

Dessen Nordgrenze befand sich nördlich der Wolderus-
kapelle, den westlichen Abschluß des Friedhofs bildete
das Grab 36. Von dort verlief die südliche Friedhofs-
grenze schräg zur heutigen Kirchensüdwestecke. Die
größte südliche Ausdehnung konnte ebenso wie die öst-
liche Grenze nicht bestimmt werden, da die Belegung in
diesen Bereichen über das untersuchte Gebiet hinaus-
reichte. Im gesamten Areal lagen die Gräber einzeln ne-
beneinander. Nur in wenigen Fällen schnitt ein Grab ein
anderes in Randbereichen. Es ist daher von einer genü-
gend großen Friedhofsfläche, einem nicht zu langen
Belegungszeitraum und einer Kennzeichnung der Grab-
stellen an der Oberfläche auszugehen.

Rechnet man die erfaßten Bestattungen auf die Qua-
dratmeter einer Zone um, so ergibt sich in den Zonen
III, IV, V und VII etwa die gleiche Bestattungsdichte
von einem Grab auf 4,5 Quadratmetem. Im mittleren
Bereich des Friedhofs in der Zone IV sind die Gräber
dicht an dicht in einer Reihe angelegt; dort kommt ein
Grab auf 2,5 Quadratmeter. Dieser Wert entspricht dem
in Zone X. Dort lagen innerhalb der flächig erfaßten 28
Quadratmeter des alten Friedhofs 11 Gräber. Eine eben-
solche Bestattungsdichte ist aufgrund der fragmentari-
schen Befunde unter der Miinsterkirche anzunehmen.
Somit kann von einem ehemals flächig belegten Fried-
hof ausgegangen werden. Er umfaßte etwa ein Areal
von 4500 Quadratmetem. Unter der Annahme von einer
Bestattung auf drei Quadratmetem ergäbe sich eine Zahl
von 1500 Bestattungen auf dem Friedhof.

Bestattungsart

Die Beisetzung erfolgte im Baum- oder Brettersarg. Bei
vielen Gräbern konnten keinerlei Holzreste beobachtet
werden, was aber mit der vollständigen Zersetzung der
Särge erklärt werden kann; auch die nachweisbaren
Holzsärge waren nur noch in Teilbereichen der Grab-
gruben zu erkennen. Bei einem Erhaltungszustand als
humoser Spur ist eine Ansprache als Baum- oder Bret-
tersarg schwierig, auch wenn generell von einem besse-
ren Erhaltungszustand der wesentlich massiveren
Baumsärge auszugehen ist.44 Beide Sargformen sind
auf dem Friedhof vorhanden, doch haben die
Baumsärge vermutlich überwogen. Das Verhältnis
dürfte etwa 2:1 betragen haben. Die Toten sind aus-
nahmslos ohne Beigaben in den Sarg gelegt worden.
Daher kann von einer strengen Kontrolle der Beerdi-
gung mit dem Ziel einer strikten Einhaltung des christli-

44 Als gutes Beispiel für die starke Zersetzung auch der Baumsärge
gilt das im Profil 3 dokumentierte Grab 596.
 
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