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Wemhoff, Matthias <Prof. Dr.>
Das Damenstift Herford: die archäologischen Ergebnisse zur Geschichte der Profan- und Sakralbauten seit dem späten 8. Jahrhundert (Band 1): Text — Bonn, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.29808#0223
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Die Münzen aus den Ausgrabungen im Bereich
des Damenstiftes Herford

Peter Ilisch

St. Aachen. Goldgulden 1582, Krumbach 114.82 var.,
3,24 g, Stempelstellung 0° (Taf. 160, Nr. 4; 6).

FO: Befund 67

Die Münze entstand zu Beginn der Evangelischen Herr-
schaft (1581-98). Bislang war nur ein Exemplar eines
Goldguldens von 1582 im Münzkabinett der Staatlichen
Museen zu Berlin bekannt. Das Herforder Fundstück
zeigt aber einen anderen Vorderseitenstempel als der
Berliner Goldgulden. Die Vorderseitenumschrift lautet
hier: MO(neta) REGIAE SEDIS - VRBIS AQVISGR.
Die Stadt wird noch nicht als Sedis libera imperialis ur-
bis bezeichnet wie auf dem Berliner Gulden. Der Präge-
stempel dieses Exemplars scheint durch Umschnitt des
älteren Goldguldens von 1572 (Änderung auf 1582) ent-
standen zu sein (vgl. Krumbach 107.72). Die Rück-
seite scheint, soweit der gerollte Zustand dies erkennen
läßt, mit dem bereits bekannten Goldgulden von 1582
identisch zu sein.

Pfalz. Kurlinie Simmern. Friedrich III. 1559-76, Gold-
gulden 1572, Keller (MBNG 1920/21) Nr. 19, 3,15 g,
ursprünglich gelöst gewesen, Stempelstellung 0° (Taf.
160, Nr. 5).

FO: Befund 67

Eine der beiden Goldmünzen, nämlich die Aachener, ist
zusammengerollt. Daraus ist zu sehen, daß sie zum
Zeitpunkt ihres Verlusts keine Rolle als Zahlungsmittel
mehr gespielt hat. Aufgerollte Münzen wurden mit ei-
nem Band zu Halsketten, sog. Paternosterketten, zu-
sammengefaßt, deren Herstellung keine komplizierte
Goldschmiedetechnik erforderte: Die Münze wurde mit
einem Hammer, der zum Schutz des Münzbildes um-
wickelt war, um einen Stab herumgeklopft. Um dies zu
erleichtern, wurde der Stab mit Papier umwickelt. Einer
der ältesten bildlichen Belege für eine derartige Kette
findet sich auf einem Altarflügel des Hans Holbein d.J.
von 1522 mit der Darstellung der Hl. Ursula. Mögli-
cherweise charakterisiert hier die Kette aus gerollten
Münzen die Braut. "Gekrümmte Goldgülden" werden
auch in der Kampfschrift 'Wider den Hoffartsteufel' von
Joachim Westphal von 1565 angeprangert. Außer als
Halsschmuck ließen sich gerollte Münzen ebenfalls als
Armband verwenden, wie dies auf einem 1572 in
Braunschweig gemalten Portrait des Ludger tom Ring
zu erkennen ist. Solche Paternosterketten wurden zuletzt
im 19. Jahrhundert hergestellt.1

1 W. Oppelt, Die Münze im Schmuck. In: Münzen in Brauch und
Aberglauben. Schmuck und Dekor - Votiv und Amulett - politi-
sche und religiöse Selbstdarstellung (Mainz 1982) 108.

Gfsch. Lippe. Simon VII. 1613-27, Kupfer-2-Pfennig
ohne Jahr (1619), GROTE/HÖLZERMANN 120.

FO: Befund 1040

Lotharingien. Lothar I. 840-855, Mzst. Dorestad, Pfen-
nig, MORRISSON/GRÜNTHAL 529 var., 1,41 g, 180° (Taf.
160, Nr. 3).

FO: Befund 1183

H.E. VAN Gelder hat die Herkunft dieses Münztyps
1961 mit einem Fragezeichen versehen, obwohl darauf
DORESTATVSMON zu lesen ist. Seine Argumente
waren zum einen, daß die überlieferten Münzen dieser
Art größtenteils aus friesischen Funden stammen und
zum anderen, daß unter Lothar zwei verschiedene Ty-
pen entstanden: solche mit dreizeiligem DOR-ESTA-
TVS und diejenigen mit DORESTATVS MON um
einen Kirchenbau herum, eine Darstellung, die dem
Christiana-Religio-Typ Ludwigs des Frommen ent-
spricht. Beide Typen haben regelmäßige Stempelstel-
lungen (0°, 90°, 180° und 270°), unterscheiden sich aber
durch die Größe und Dicke des Schrötlings deutlich
voneinander. Van Gelder vermutete, daß in Dorestad
ortsanonyme Christiana-Religio-Pfennige geprägt wor-
den sind. Femer ging er davon aus, daß beide Typen mit
dem Ortsnamen Dorestad erst nach 850, wahrscheinlich
sogar über den Tod Lothars hinaus geprägt worden sind,
da ihre Anteile in den niederländischen Funden aus dem
späten 9. Jahrhundert besonders zahlreich sind.2
Dagegen läßt sich einwenden, daß es extrem unwahr-
scheinlich ist, daß man in Friesland DORESTATVS
MON auf die Münzen gesetzt hat, wenn in Dorestad
selbst Münzen dieses Typs nicht in nennenswerter
Menge hergestellt wurden. Jede Nachahmung braucht
ein Vorbild. Die Münze des gleichen Typs mit dem
Namen Ludwigs des Frommen ist nur in einem Exem-
plar aus dem spät vergrabenen Schatzfund von
Ide/Friesland bekannt. Es dürfte sich hier um eine hy-
brid, d.h. durch eine irrtümliche Verwendung alter
Stempel entstandene Münze handeln, die daher keines-
falls das Vorbild für eine Nachahmung in Friesland ge-
liefert haben kann.3 Wahrscheinlich ist, daß der Typ
doch in Dorestad selbst entstanden ist und zwar nach
Beendigung des wesentlich selteneren dreizeiligen

2 H.E. Van Gelder, De karolingische muntslag te Duurstede. Jaar-
boek voor Munt- en Penningkunde 48, 1961, 15-42. - Im gleichen
Sinn: Ders., Coins from Dorestad, Hoogstraat I. In: Van Es,
W.A./Verwers, W.J.H., Excavations at Dorestad I, The Harbour:
Hoogstraat I = Nederlandse Oudheiden 9, Kromme Rijn Projekt I
('s-Gravenhage 1980) 223; Grierson, Ph. /Blackburn, M., Me-
dieval European Coinage. 1. The Early Middle Ages (5th-10th
centuries). (Cambridge 1986) 223.

3 Vgl. Grierson/Blackburn 1986, 217.
 
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