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Wemhoff, Matthias <Prof. Dr.>
Das Damenstift Herford: die archäologischen Ergebnisse zur Geschichte der Profan- und Sakralbauten seit dem späten 8. Jahrhundert (Band 1): Text — Bonn, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.29808#0269
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Tierknochen aus mittelalterlichen und frühneuzeitlichen
Fundkomplexen aus dem Herforder Stiftsbereich

Hans Reichstein

I. Einleitung

Bei Ausgrabungen im Stadtkern von Herford wurden
Reste eines im 9. Jahrhundert gegründeten Damenstifts
freigelegt. Bei den Grabungsarbeiten kamen rund 4.000
Tierknochen zutage, über die im folgenden berichtet
werden soll. Wenn auch die Fundmenge mehr als be-
scheiden ist, so verdienen diese sorgfältig geborgenen,
chronologisch gegliederten Knochen dennoch Beach-
tung, da sie uns Einblicke in die profanen Seiten des
Lebens der Stiftsbewohner vermitteln können. Es geht
hierbei vor allem um Ernährungsgepflogenheiten, Uber
die Schriftquellen aus dieser Zeit wenig zu berichten
wissen.

Nach Ausweis des ganzen "Zuschnittes" des Knochen-
materials wie Ausmaß und Modus der Fragmentierung,
Häufigkeit bestimmter Skelettelemente und Vorkom-
men bestimmter Tierarten handelt es sich eindeutig um
Küchen- und Nahrungsabfälle, um Überreste der
fleischliefernden Wirtschaftstiere Rind, Schaf (Ziege)
und Schwein, zu denen sich noch Hühner, Gänse und
Enten gesellen. Auch Reste von Puten haben sich nach-
weisen lassen. Der Anteil von Wildtieren ist verschwin-
dend gering, ihre Bedeutungslosigkeit als Nahrungslie-
ferant damit zweifelsfrei erwiesen.

Die besondere Bedeutung der Quellengattung Tierkno-
chen aus dem Damenstift besteht darin, daß sich auf
dieser Grundlage die Ernährungsgewohnheiten einer be-
stimmten Bevölkerungsgruppe, zumindest die tierische
Kost betreffend, über Jahrhunderte hinweg verfolgen
lassen, ohne daß natürlich alle Aspekte der Nahrungs-
ökonomie transparent gemacht werden können
(Herkunft der tierischen Nahrung, jahreszeitliche Unter-
schiede, Kostenfrage usw.).

Die Bestimmung der Tierknochen einschließlich der
protokollarischen Aufnahme der Basisdaten (Schlacht-
alter, Geschlecht, Körperseite, Ausmaß der Fragmentie-
rung, Knochengewicht und -maße) erfolgte durch H.-J.
Frisch. Die graphische Darstellung und die Fototafel
fertigte Frau R. Lücht, die auch den druckfertigen
Schriftsatz erstellte. Beiden gilt mein Dank.

II. Das Material: Beschaffenheit
und Fundstellen

Die meisten Knochen sind stark bis sehr stark zerbro-
chen. Das gilt weniger für die Wirbel der Haussäuge-
tiere, und auch nicht für zahlreiche Knochen des Geflü-
gels, das im wesentlichen durch Hühner und Gänse ver-
treten ist. Die durchweg feste Konsistenz der Knochen
bezeugt, daß die Bedingungen für die Erhaltung organi-
scher Materialien gut waren. Die Knochen sind hell-
gelblich braun bis dunkelbraun gefärbt. Sie entstammen
acht verschiedenen, genau lokalisierten Fundstellen im
Bereich des Damenstiftes. Im einzelnen lassen sich die
Funde nach Angaben des Ausgräbers räumlich und
zeitlich wie folgt gliedern:

1. Grube in einem Holzgebäude am Westrand des
Friedhofs, 9. Jahrhundert, Befund 11 (im folgenden als
Stelle 1 bezeichnet).

2. Ein eingetiefter Raum mit Laufniveau im Nordflügel
des Stiftes, 10.-11. Jahrhundert, Befund 1092 (Stelle 2).

3. Wie 2, aber 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts bis 12.
Jahrhundert, Befunde 1075 und 1088 (Stelle 3).

4. Kloake, 12. Jahrhundert, Befund 378 (Stelle 4).

5. Aschegrube neben der Feuerstelle der Küche im
Nordflügel des Stiftes, 1. Hälfte 13. Jahrhundert, Be-
fund 1371 (Stelle 5).

6. Ausbruchgrube, Grube im aufgegebenen Nordtrakt,
13. Jahrhundert, Befunde 1000. 1025, 1071 (Stelle 6).

7. Kloake an der Abtei, 16.-17. Jahrhundert, Befund 546
(Stelle 7).

8. Verfüllter Keller mit Brandschutt eines 1638 abge-
brannten Gebäudes, 17. Jahrhundert, Befund 1293
(Stelle 8).

III. Ergebnisse

III. 1 Das Gesamtmaterial

Der Fundkomplex umfaßt 3.964 Knochen von Säugetie-
ren und Vögeln (Gewicht rund 22,5 kg), die mindestens
 
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