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Wemhoff, Matthias <Prof. Dr.>
Das Damenstift Herford: die archäologischen Ergebnisse zur Geschichte der Profan- und Sakralbauten seit dem späten 8. Jahrhundert (Band 1): Text — Bonn, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.29808#0067
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III. Die archäologisch ermittelte Bauabfolge -
Eine Einteilung in Bauphasen innerhalb von 15 Zonen

III. 1 Zonel

III.l.l Beschreibung

Im Süden und Westen bildet die Zonengrenze bei 51
Ost und 118 Süd auch gleichzeitig die Außenkante des
Untersuchungsgebiets. Im Westen schließt die zum
Zeitpunkt der Grabung bereits neu gepflasterte Platz-
hälfte an, im Süden der neuangelegte Bürgersteig. Im
Norden folgt nördlich der großen Kanalstörung bei 94
Süd die Zone II, im Osten bei 80,60 Ost die Zone III.
Die Grabung wurde eigenständig unter der Leitung von
W. Niemeyer vom 15.08. bis zum 3.10.1988 durchge-
führt.264 Zeitgleich liefen Grabungen in Zone III und V.
Die von NlEMEYER erstellte zeichnerische und hand-
schriftliche Dokumentation bildet die Grundlage für die
Befunde 701 bis 928. Ebenso ist der von ihm verfaßte
und in Auszügen veröffentlichte Vorbericht in weiten
Teilen für die Einordnung der industriellen Befunde in
die Bauphasen benutzt worden. Ein Verweis fand nicht
in allen Fällen statt.265

Im Norden und Westen der Zone befanden sich ältere
Siedlungsgruben, von denen die Gruben 726, 727, 728,
729 und 730, die alle keine Steinbauanzeiger enthielten,
zusammen mit weiteren Pfosten in der Zone II einen
Gebäudegrundriß ergaben.266 Die anderen acht Pfosten
dieser Zone ohne Mörtelspuren ließen sich keinem Ge-
bäudegrundriß zuordnen, sie belegten aber eine durch
Feuer zerstörte Bebauung dieses Gebiets. Das Fehlen
weiterer Pfosten ist mit der starken Abtragung des Ge-
ländes nach dem Rathausbau zu erklären.

Auch die in ihrer Verfüllung Mörtelschutt enthaltenden
Gruben ließen kein Bild einer einheitlichen Bebauung
entstehen. Die acht in der Pfostenbauphase II zusam-
mengefaßten Gruben können auch mit großem zeitli-
chen Abstand entstanden sein.

Auffällig war eine Häufung der rechteckigen, mit neu-
zeitlichem Bauschutt und Keramik verfüllten Gruben
712, 713, 715, 717, 718, 723 und 724 östlich der Indu-
strieanlagen. Diese Gruben sind keiner Phase eindeutig
zuzuordnen; möglich ist sowohl eine Entstehung wäh-
rend der letzten Zeit der Nutzung als Abtei als auch
während der drei industriellen Phasen. Da ebenfalls je-
der Hinweis auf ihre Funktion fehlt, sind sie wie die
Gruben 556 und 558 im Osten der Zone nicht bei den
Bauphasen erwähnt worden. Gleiches gilt für die ver-
mauerte Grube 551 mit der Verfüllung 552, die jeder
der drei industriellen Nutzungsphasen zuzuordnen wäre,

264 Die Kosten der industriearchäologischen Maßnahme trug das
Referat Technische Kulturdenkmäler des Westfälischen Amtes
für Denkmalpflege, Münster.

265 Langkafel 1989, 50-59, darin 50-52 der Text von Niemeyer.

266 Beschreibung s. Zone II, Pfostenbauphase I (III.2.2).

sowie für den innerhalb dieser Zone angeschnittenen
westlichen Rand 701 des Kellers I der Bauphase Abtei
Ost II in Zone II und die zugehörigen industriellen Nut-
zungs- und Aufgabehorizonte 703, 704, 707, 708 und
709.

Von der Abtei blieben zwei Keller erhalten. Der östliche
mit den Wänden 836, 855 und 857 und der Pflasterung
858 war der ältere Keller. Seine stärker fundamentierten
Nord- und Westwände lassen auf eine Westwand ober-
halb 855 schließen. Gegen diesen älteren Abteikeller
wurde von Westen der Keller mit den Wänden 879, 880
und 882 gesetzt. Der Einbau der Kloake 887 in die Pfla-
sterung 886 geschah nachträglich. In einer dritten Bau-
phase verstärkten der Fundamentblock 881 im westli-
chen Abteikeller und die Wandschale 856 das vorhan-
dene Mauerwerk. Dieser letzte Bauzustand ist auch im
Menckhoff-Plan von 1808 aufgenommen. Dort werden
beide Keller als Getränkekeller bezeichnet. Südlich des
westlichen Abteikellers lag der Fruchtkeller, dessen
Südwand zugleich die Außenwand der Abtei bildete,
und die in Resten in der Nordwand von 900 erhalten
geblieben ist. Das in einer Sondage festgestellte Fun-
dament 613 lag nach dem Menckhoff-Plan an der Stelle
der inneren Ecke von Hauptflügel und westlichem An-
bau. Diese beiden Wände waren auch einheitlich fun-
damentiert, während die Westwand des Südflügels aus
anderem, vermutlich älterem Mauerwerk bestand.

Am 5. Juli 1810 erwarb der Kaufmann F.W. Schrewe
das Gebäude der alten Abtei und schuf dort im Zentrum
der Stadt den ersten großen Wirtschaftsbetrieb.267 Des-
sen Energiegewinnungsanlagen haben im archäologi-
schen Befund deutliche Spuren hinterlassen.268
Der eindrucksvollste Befund ist der erhaltene, 167 m
lange, von der Bowerre zur Aa verlaufende, unterirdi-
sche Kanal. Der zum großen Teil noch begehbare, 2,55
m hohe, aus Bruchsteinen gemauerte und gewölbte Ka-
nal 925 endete im Nordwesten der Abtei hinter dem er-
weiterten Kanalaustritt 926 in einer offenen, größeren
Kammer (927), in der ein Wasserrad angebracht war.
Die Aufhängung ließ sich nicht eindeutig bestimmen.
Wenn man dem überlieferten großen Maß von 24 Fuß
Durchmesser Glauben schenkt, muß sich die Aufhän-
gung auch außerhalb des freigelegten Gebiets befunden
haben. An die Kammer 927 schlossen im Norden die
beiden Schachtanlagen 900 und 923 an, in die die Ma-
schinenfundamente 922 und 924 eingebaut gewesen
sind. Diese Schachtanlagen wurden bei jüngeren Ein-

267 Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens und seiner
Nachfolger vgl. Oldemeier 1989, 14-23, bes. 18f.

268 Die Auswertung der Bauphasen beschränkt sich auf die Dar-
stellung und Deutung der archäologischen Befunde. Die techni-
schen Details zu der Turbine und der Dampfmaschine sind der
in den Anmerkungen erwähnten, weiterführenden Literatur zu
entnehmen.
 
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