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Wemhoff, Matthias <Prof. Dr.>
Das Damenstift Herford: die archäologischen Ergebnisse zur Geschichte der Profan- und Sakralbauten seit dem späten 8. Jahrhundert (Band 1): Text — Bonn, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.29808#0031
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II. Baugeschichte - Periode II

13

chen Bestattungsritus ausgegangen werden. Selbst
Trachtbestandteile waren mit Ausnahme einer eisernen
Gürtelschnalle nicht vorhanden.

Die Toten lagen zumeist mit am Körper ausgestreckten
Armen im Sarg. Seltener sind ein oder beide Arme im
Beckenbereich abgewinkelt auf den Körper aufgelegt
worden.

Ausrichtung

Die Gräber sind geostet angelegt, d.h. alle Bestatteten
blickten mit dem Gesicht nach Osten. Die genaue Aus-
richtung weicht dabei von der Ostung der späteren Kir-
che ab. Unter der Münsterkirche und westlich davon
differiert ein Großteil der Gräber in der Ausrichtung um
bis zu 8 Grad nach Südost gegenüber der Kirchenflucht.
Nördlich der Kirche in Zone VII und X entsprach die
Ausrichtung der Gräber in etwa der der Münsterkirche.
Weiter nördlich vor der Wolderuskapelle sind dagegen
Abweichungen um bis zu 8 Grad nach Nordosten fest-
zustellen.

Eintiefungsniveau

Messungen der Grabunterkanten können zur Rekon-
struktion des ursprünglichen Geländereliefs dienen.
Wenn man die Grabunterkante nach Zonen getrennt er-
faßt, so ergibt sich in allen Zonen, daß ca. 80 % der
Gräber eine um max. 20 cm voneinander abweichende
Unterkante besitzen. Größere Unterschiede lassen sich
durch die Bestattung von Kindern oder das (seltene)
Anschneiden eines älteren, noch nicht vergangenen Sar-
ges erklären. Das heißt jedoch nicht, daß es Normtiefen
gegeben hat, denn die Unterschiede können bei benach-
barten Gräbem (239, 208) erheblich sein.

Die Gräber in Zone VII lagen bei einem Mittelwert von
2,81 m um durchschnittlich 42 cm tiefer als die Gräber
in Zone IV, die wiedemm im Schnitt um 29 cm tiefer
lagen als die Gräber in Zone III. Dieses Gefälle von Süd
nach Nord läßt sich ergänzen um das Höhenprofil von
Ost nach West. Im Nordosten in Zone X lagen die Grab-
unterkanten mit einem Mittelwert von 2,61 m am tief-
sten, gefolgt von der Zone XV (Münster Ost) mit 2,42
m. In der Zone XIV (Münster West) ist das Niveau ge-
genüber dem Ostteil der Kirche schon um 24 cm ange-
stiegen, in der Zone V lag der Mittelwert mit 2,18 m
wieder etwas tiefer. Hier ist die untersuchte Fläche al-
lerdings auch sehr klein, während in Zone III mit 2,10
m wieder etwas höhere Grabunterkanten vorliegen, die
nur noch von den mit Abstand am weitesten westlich
liegenden Gräbern 96 und 97 mit einer Unterkante bei
1,75 m übertroffen werden. Anhand der Maße läßt sich
zur Zeit der Anlage des Friedhofs ein von Ost nach
West leicht ansteigender und stark nach Norden ab-
fallender Geländerücken rekonstruieren.

Pfostenbauten

Im gesamten Gräberfeld sind keine Gebäude nachzu-

weisen, und ebenso spricht die durchgängige Belegung
gegen die Annahme von Wohn- oder Kirchenbauten im
Areal des Friedhofs. Im westlichen und nordwestlichen
Randbereich standen dagegen Gebäude. Der Pfostenbau
A in Zone II war mindestens 9 m lang und 6,50 m breit.
An dieses Gebäude schlossen im Norden weitere, in ih-
ren Grundrissen nicht mehr bestimmbare Gebäude an.

Der Pfostenbau A entsprach in der Ausrichtung genau
den südlichen Gräbern des Friedhofs. Er erstreckte sich
von West nach Ost. Sein östlichster Pfosten lag nur 8 m
vom westlichsten Grab entfernt. Das Gebäude wird auf-
grund der übereinstimmenden Ausrichtung und der
räumlichen Nähe zeitgleich mit dem Friedhof bestanden
haben. Es dürfte wie der Friedhof die Flucht der ersten
Kirche übernommen haben, die in unmittelbarer Nähe
zu vermuten ist. Da die Gräber nordöstlich des Gebäu-
des A in Zone IV dichter gelegt worden sind und ein di-
rekter Anschluß des Friedhofs an die Ostteile der Kirche
naheliegt45, kann diese nördlich des Pfostenbaus ver-
mutet werden. Auch der Pfostenbau selbst könnte vom
Grundriß und von der Ausrichtung als Kirchengebäude
angesprochen werden, die spärlichere Belegung des
Friedhofs östlich des Gebäudes und die mit Siedlungs-
schutt verfüllte Grube im Inneren des Gebäudes spre-
chen jedoch dagegen. So wird es sich bei dem Holzbau
um ein an die Kirche angrenzendes Wohn- oder Stifts-
gebäude handeln. Für die Kirche kann auch ein Standort
östlich des heutigen Münsters erwogen werden. Die Ge-
samtanlage mit der im geschützten Winkel zwischen Aa
und Werre gelegenen Siedlung mit geosteten Gebäuden
spricht jedoch beim jetzigen Forschungsstand eher für
eine Errichtung der Kirche im Westen des Gräberfeldes.
Das Pfostengebäude ist durch einen Brand zerstört wor-
den. Die Verfüllungen der Pfostenspuren enthielten sehr
viel Holzkohle und verziegelten Fehm.

Befestigung

In dem nur 1 m breiten Schnitt an der Nordgrenze des
Untersuchungsgebietes (115/197 Ost und 23/29 Süd)
wurde ein 4,40 m tiefer, an der Sohle 1 m breiter und
bis auf 5 m Breite ausladender Graben freigelegt. Er
bildete eine Begrenzung unmittelbar vor dem Gelän-
deabfall zum alten Flußbett der Werre. Nach der Ver-
füllung des Grabens wurde ein 40 x 40 cm mächtiger
Holzpfosten eingegraben. Es ist zu vermuten, daß er zu
einer Befestigungsanlage gehört hat. Auch ein nördlich
anschließender Pfosten ähnlicher Größe könnte zu einer
weiteren, vermutlich jüngeren Befestigungsanlage ge-
hört haben. Der Graben wird im Osten bis zum künst-
lich abgesteilten Ufer der Werre (vgl. Zone XI, Bau-
phase: östliche Hangkante) gereicht haben. Ebenfalls ist
eine Fortsetzung nach Westen bis zur Uferböschung der
Aa zum Schutz der ersten Holzsiedlung anzunehmen.
Dann lägen das dokumentierte Pfostengebäude sowie
die weiteren in dessen Nähe vermuteten Holzgebäude
an der Stelle des Zusammenflusses von Aa und Werre,

45 Zur Notwendigkeit einer Kirche in unmittelbarer Friedhofsnähe
vgl. Angenendt 1982, 221-224.
 
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