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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom IV. bis XIII. Jahrhundert (Band 2): Text: 2. Hälfte — Freiburg i.Br., 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.1404#0573
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Siebtes Kapitel.
Darstellungen der Seligen.

uf den Malereien der Katakomben begegnen die einzelnen Verstorbenen dem Be-
schauer sozusagen auf Schritt und Tritt. Sie sind gewöhnlich in Gebetshaltung,
also als in der Seligkeit befindlich aufgefaßt. In der Monumentalkunst tritt dagegen der
gewöhnliche Verstorbene bedeutend zurück; hier finden wir als Selige vornehmlich die
Apostel und die Märtyrer beiderlei Geschlechtes dargestellt. Zu diesen kommen, aber
seltener, die großen Bekenner, wie Silvester, Martin von Tours, Antonius, Benedikt u. a.,
sowie die heiligen Väter der griechischen und der lateinischen Kirche hinzu.

Wie in S. Apollinare Nuovo zu Ravenna die Märtyrer auf Christus und die Märtyrinnen
auf die Theotokos zuschreiten, so trennt auch Venantius Fortunatus in seiner Schilderung
der himmlischen Bewohner bisweilen die Geschlechter und schart den männlichen Teil um
den Heiland, den weiblichen, zumal die Jungfrauen, um die Gottesmutter. Jene verherr-
lichen, mit den Engeln wetteifernd, Gott durch die Psalmodien Davids und tragen ihm
geheimnisvolle Gesänge vor; diese werden von Maria auf die blumigen Auen des Para-
dieses geführt, wo die eine Veilchen, die andere Rosen und eine dritte Lilien pflückt, um
sich an dem Dufte zu erquicken1.

Erst unter den Schöpfungen des Beato Angelico finden sich Malereien, welche Anklänge
an diese Schilderungen der paradiesischen Freuden enthalten. Die altchristlichen und
mittelalterlichen Künstler haben sich zu einer solchen Poesie nicht aufgeschwungen; ihre
Werke sind ungleich einfacher. Die rein symbolischen Bilder der Katakomben abgerechnet,
welche die Seligen als weidende Lämmer, oder als trinkende und an allerlei Früchten pickende
Vögel vorführen, fangen auf dem Fresko der „pecorelle" in S. Callisto zwei Selige mit ihren
Händen Wasser auf, um davon zu trinken; anderswo tragen Apostel und Märtyrer den
„Kranz des ewigen Lebens"; andere Selige endlich, und diese bilden weitaus die Mehrzahl,
haben die Arme, wie gesagt, zum Gebete ausgebreitet, nehmen also jene Haltung ein, welche
den ersten Christen wegen ihres symbolischen Zusammenhangs mit dem Kreuz besonders
teuer war. Wir wissen bereits, daß sowohl der Gebetsgestus als auch der Kranz in die
Monumentalkunst übergingen. Letzterer wurde seit dem Mittelalter mit der Krone ver-
tauscht und bildete neben dem Kreuz zu allen Zeiten ein so ständiges Abzeichen von
Märtyrern, daß beide Attribute selbst auf die Legendenschreiber Einfluß ausübten. So
erscheint Petrus den hll. Artemius und Kandida „in weißen Gewändern und mit dem
1 Mise. 8, 6: Mig-ne, PL 88, 266 f.

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