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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom IV. bis XIII. Jahrhundert (Band 2): Text: 2. Hälfte — Freiburg i.Br., 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.1404#0642
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1150

Viertes Buch. Tafelgemälde.

deutlicher den Haarüberzug; es fehlen auch beiderseits vom Kopfe nicht die üblichen Siglen
M]' — oX\ Mutter Gottes, und der Nimbus besteht in einer feinen rotbraunen Kreislinie
und einer dieser entlang eingeritzten Reihung von Punkten. Das Gesicht endlich ist ovaler
als das auf der Vorlage.

Die Veränderungen nahm der Künstler absichtlich vor, da sie mehr dem Geschmack
der vorgerückteren Zeit entsprachen, der das Bild angehört. Die Zutaten sodann beweisen,
daß er die Bedeutung der Gestalt etwas erweitert hat, selbstverständlich ohne die ursprüng-
liche aufzuheben. Links oben in der Ecke sieht man in dem gestirnten Himmelssegment
Christus mit dem klassischen Redegestus zu Maria sprechen, und gegenüber fliegt ein nur
mit dem Oberkörper aus dem gemalten Rahmen herausragender Engel auf Maria zu, der
die Hände in Verehrung nach ihr ausgestreckt hat. Der Engel ist Gabriel, wie der unter der
Gestalt der Madonna geschriebene Gruß verrät: t AVE GRATIA PLENA DNS TECVM,
Gegrüßt seist du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir! Alle diese Veränderungen und
Bereicherungen geschahen wohl auch mit Rücksicht auf den besondern Zweck des Bildes,
das noch heute zu der Prozession vom 15. August dient, also nicht für die eigentliche
Deesis bestimmt war.

Der Rahmen ist, wie gesagt, gemalt und besteht aus einer gelben Leiste, die nach
Kosmatenart mit roten Scheiben und schwarzen, weißgetupften Plättchen verziert und von
der eigentlichen Bildfläche durch eine rote und eine schwarze Borte getrennt ist, so daß
der Eindruck von Hohlkehlen erzielt wird.

Die gotische Form der Buchstaben sagt uns, daß wir im vollen 13. Jahrhundert sind.
Dazu stimmt die oben erwähnte geschichtliche Nachricht; und da der Franziskanerorden
unter seinen Mitgliedern gleich von Anfang an Künstler hatte, unter denen zu Ende des
13. Jahrhunderts der uns wohlbekannte Torriti der hervorragendste war, so wird es wohl
nicht zu gewagt sein, wenn wir die Madonna von Tivoli einem seiner Schüler zuschreiben.
Für die Prozession vom 15. August eignete sie sich übrigens besser als eine Madonna mit
dem Kind, weil ihr Bild ja dem des Erlösers (Taff. 244 f) entgegengetragen wurde.

1 Von dieser letzteren Sigle ist der erste Buchstabe mit dem Abkürzungszeichen zerstört.
 
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