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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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Groos, Karl: Das ästhetische Miterleben und die Empfindungen aus des Körperinneren
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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0166
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KARL GROOS.

sagen, sondern ausschließlich den Zustand unseres eigenen »leiblichen
Ich« widerspiegeln und daher von größter Bedeutung für unser
Leben sind.
3. Wir nennen gewisse umfassende Gesamtzustände unseres Be-
wußtseins, wie Aufregung, Freude, Trauer, Zorn, Furcht »Gemüts-
bewegungen« oder »Emotionen«. Diese Emotionen sind häufig
— ob immer, bleibe hier dahingestellt — mit der wertverleihenden
Polarität von Lust und Unlust ausgestattet. Sie sind aber in ihrem
»unser Inneres erfüllenden« Wesen von den einzelnen mit Lust
oder Unlust verbundenen Außenempfindungen wohl zu unterscheiden
— man vergleiche etwa den Schmerz eines Nadelstiches mit der un-
lustvollen Erregung, die infolge dieses Sonderschmerzes unser ganzes
Bewußtsein überflutet.

1. Die Emotionen und die Organempfindungen.
Die »Begleiterscheinungen« der Emotionen. — Wenn wir
einen Menschen betrachten, der gerade eine Gemütsbewegung durch-
lebt, so bemerken wir bald eine große Anzahl von körperlichen »Be-
gleiterscheinungen«, die für die besondere Form der Emotion
kennzeichnend sind. Wäre das nicht der Fall, so würde es dem bil-
denden Künstler unmöglich sein, den Zorn, die Furcht, die religiöse
Ekstase, das »Gefühl der Abhängigkeit« (Sascha Schneider) verständlich
zur Darstellung zu bringen. Denn er ist ja ausschließlich auf die-
jenigen Begleiterscheinungen der Affekte und Stimmungen angewiesen,
die für die unmittelbare Beobachtung an der Oberfläche des Körpers
hervortreten.
Aber auch da, wo ein Gefühlszustand in äußeren Veränderungen
des Organismus nicht merklich zum »Ausdruck« gelangt, kann das
wissenschaftliche Experiment Begleiterscheinungen feststellen, die im
Innern des Organismus auftreten. So hat man außer den Muskel-
bewegungen besonders die Atemtätigkeit, den Pulsschlag und die An-
füllung der Blutgefäße auf ihren Zusammenhang mit dem emotionalen
Leben untersucht. Aus den Ergebnissen lassen sich allerdings noch
keine ganz sicher bestimmten Symptomenkomplexe für Lust und Un-
lust oder für Affekte wie Furcht, Mitleid u. s. w. gewinnen1). Aber
die Tatsache solcher innerorganischen Begleiterscheinungen ist für die
dem Experiment zugänglichen, meist sehr elementaren oder abge-

3 Vgl. Götz Martius, »Über die Lehre von der Beeinflussung des Pulses und
der Atmung durch psychische Reize«, 1905.
 
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