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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0289
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BESPRECHUNGEN.

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duktion des ganzen Erlebnisses. Das heißt in unserem Falle: Stärke der Helligkeit
und Sättigung eines Farbentones auf der einen, gewisse subjektive optische Er-
scheinungen auf der anderen Seite werden als kausal zusammenhängend erlebt.
Der Maler kann nun mit seinen Mitteln weder die volle Sättigung und Helligkeit
der Farben in der Natur noch die subjektiven Begleit- und Folgeerscheinungen
solcher Farbeneindrücke realiter erzielen, er vermag aber die letzten objektiv dar-
zustellen als eine Reihe bestimmter Farbenveränderungen. Wenn er dies tut, so
erhält der Bildbetrachter, von der objektiv wiedergegebenen Wirkung auf die tat-
sächlich subjektiv erlebte Wirkung und von dieser auf die Ursache: gewisse Farben-
erlebnisse, schließend, den Eindruck des Gesamterlebnisses, das zu gestalten die
künstlerische Aufgabe war. In den Ausdrucksgrenzen seines Materiales liegt für
den Maler die Nötigung, die subjektiven Begleit- und Folgeerscheinungen starker
Farbenerlebnisse im Bilde objektiv darzustellen, und zwar nicht um ihrer selbst
willen, sondern einzig, weil durch sie — infolge der erfahrungsgemäßen Verknüpfung
von Ursache und Folge — das Gesamterlebnis assoziativ erweckt wird. Diese
Wirkungsmethode wendet sich also eigentlich nicht an das Auge, sondern an den
Verstand. Optische Erlebnisse wie z. B. das des Sehens in strahlende Helle lassen
sich insofern gestalten, als die subjektiven Begleiterscheinungen, — also Simultan-
kontraste, Irradiationsphänomene — und die subjektiven Folgen: Nachbilder gemalt
werden. Durch eine Angleichung aller dargestellten Objekte in der Helligkeit läßt
sich ferner der Eindruck der Sonnenglut auf das geblendete Auge objektivieren, und
damit — auf dem beschriebenen Wege — das Erlebnis der Sonnenglut selbst.
Daß der Maler überhaupt — sei es im Stil der Eindrucks-, sei es im Stil der
Erfahrungskunst — mit der Wirksamkeit der beiden psychologischen Gesetze rechnen
darf, daß die tiefen Unterschiede zwischen seinem Farbenmaterial und dem der
Natur nicht jede Ähnlichkeit der Erlebnisse von vornherein ausschließen, hat seinen
Grund in physiologischen Tatbeständen, die jene Differenzen ausgleichen. Und
zwar handelt es sich einmal darum, daß der Maler mit einer gewissen mittleren
Empfindlichkeit des Auges rechnen kann, wie sie in mäßig beleuchteten Innen-
räumen vorhanden ist. Das Auge des Bildbetrachters erwartet daher auch nur
Wahrheit der Helligkeitsabstufungen in der Mittellage, d. h. solche Wirkungen, wie
sie das Farbenmaterial des Künstlers annähernd hergibt. Anderseits gilt auch hier
das Heringsche Gesetz von der »angenäherten Farbenbeständigkeit der Sehdinge«.
Dies Prinzip will besagen: nicht jeder objektiven Beleuchtungsänderung entspricht
eine gleich große Änderung in der subjektiven Helligkeitsempfindung, vielmehr be-
wahren für unser Auge die Gegenstände bei gewissen Graden der Beleuchtungs-
änderung ungefähr ihren Helligkeitscharakter. Der Maler kommt daher in praxi
mit seiner an den Farben der Natur gemessen kurzen Skala von Helligkeitsunter-
schieden relativ gut aus.
Schließlich: abhängig vom koloristischen Stil als einer Grundauffassungsweise
und Zielsetzung, abhängig von der Motivwahl und Wirkungsmethode ist die kolo-
ristische Komposition, der farbige Bildaufbau. Wenn man den Begriff der Farben-
komposition zu definieren sucht, so erhält man als die ihn zusammensetzenden
Faktoren: erstens den Umfang der malerischen Palette: Enge oder Weite derselben
bestimmen sozusagen die Elemente des farbigen Aufbaus, die Anzahl der Farben.
Das gesamte vorhandene Farbenmaterial zeigt ferner eine bestimmte Qualität, d. h.
sein Charakter wird gekennzeichnet durch Wärme oder Kälte, durch höhere oder
geringere Sättigungs- und Helligkeitsgrade. Dann: auf zwei verschiedene Arten
können Farbentöne gegeneinander und zu einheitlicher Wirkung geführt werden,
nämlich einmal gemäß dem Prinzip der Staffelung, anderseits gemäß dem des
 
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