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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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Conrad, Waldemar: Der ästhetische Gegenstand, [3] : Eine phänomenologische Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0405
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DER ÄSTHETISCHE GEGENSTAND.

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1. Voruntersuchung über die primitivsten Form- und
Farbelemente.
Wenn wir uns erinnern, wie wir den einzelnen, homogenen Ton
als letztes, einfachstes Element der ästhetischen Gegenstände der Ton-
kunst erkannt hatten, so ist es offenbar das Nächstliegende, hier in
gleicher Weise die homogene Farbe als den einen der primitivsten
Bestandteile anzusehen, aus denen sich die ästhetischen Gegenstände
der Raumkunst aufbauen.
In der Tat wird man mit der Zerlegung eines komplizierten Farben-
komplexes innehalten, wenn man an ein gleichmäßig gefärbtes Flächen-
stück kommt, da die weitere Zerlegung keine weitere »klärende« Ver-
einfachung bieten kann, indem jedes Stück (der Voraussetzung nach)
immer wieder dieselbe gleichmäßige Farbe besitzt.
An einer solchen Farbausbreitung lassen sich dann, wie an einem
einfachen Ton, nur noch gewisse »Seiten« unterscheiden: die eigent-
liche Farbqualität und die räumlichen Momente der Lage, Ausbreitungs-
größe und -form. In welchem Sinne man innerhalb dessen, was wir
hier »Qualität« nannten, noch eine Intensität, Helligkeit und Qualität
im engeren Sinne unterscheiden könnte und wie sich aus jenen räum-
lichen und diesen Qualitätsmomenten ein Ganzes bildet, können wir
hier nicht näher untersuchen. Wie eine derartige Analyse verläuft,
haben wir schon bei Besprechung der Konstitution des Tones ge-
zeigt x).
Neben diesem Moment der Farbe pflegt man nun noch die räum-
liche Form als das zweite wesentliche Konstituens der Gegenstände
der Raumkunst anzusehen. Diese »Form« ist nun aber offenbar inso-
fern kein selbständiges Moment, als sie schon innerhalb der Bestim-
mungen der Farbe auftrat* 2). Indes liegt der üblichen Anschauungs-
weise, die die Form getrennt, wie etwas Unabhängiges, aufzählt, ein
richtiger Kern insofern zu Grunde, als die Form (die durch Anschau-
ung mit ruhendem Auge nicht adäquat erfaßt werden kann, sondern
Bewegung fordert) durch Bewegung, auch ohne visuelle, z. B. mit Hilfe
taktiler und kinästhetischer Anschauungen zu erfassen ist3).

b Vgl. den ersten Artikel d. Zeitschr. Bd. III, Heft 1, S. 82 f. und insonderheit
S. 84. Die Diskussion der Farbmannigfaltigkeit liegt, wie die der Tonmannigfaltigkeit,
vollends außerhalb des Rahmens unserer Abhandlung.
2) Natürlich ist auch die Farbe als »Qualität« gefaßt nichts Selbständiges.
3) Weiter auf diese Erlebnisseite einzugehen, verbietet der Platz, so interessante
Probleme diese auch z. B. bezüglich des natürlichen stereoskopischen Sehens u. s. w.
bieten würde.
Zeitschr. f. Ästhetik u. allg\ Kunstwissenschaft. IV.

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