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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0474
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BESPRECHUNGEN.

wissenschaftlich gesicherte Gesichtspunkte. In unsere Wissenschaft schleicht sich
jetzt ein gewisser Journalismus. Er muß unterdrückt werden! Wir dürfen nicht
momentanen Einfällen oder Stimmungen nachgeben oder gar einer formalen Schön-
heit gegenständliche Klarheit opfern, sondern wir müssen der Sprache der Tatsachen
dienen und den Gesetzen, die ihnen entwachsen. Ich habe absichtlich dabei etwas
verweilt, weil geradezu eine Modekrankheit vorliegt, und es mir leid tat, selbst so
begabte Autoren wie unseren Verfasser von ihr wenigstens zum Teil ergriffen zu
sehen. Ich sagte: zum Teil. Denn an gar manchen Stellen bricht doch die Sach-
lichkeit durch, und sie ist belehrender als ein ganzes Feuerwerk von Raketen, die
schnell verpuffen, die nur ein Erstaunen, und kein Wissen zurücklassen.
So aber wollen wir von diesem Buche nicht scheiden, sondern doch noch einen
seiner größten Vorzüge gebührend hervorheben: es weckt Liebe, weil viel Liebe in
ihm lebt. Auch der Verlag hat dem Werk reiche Sorgfalt angedeihen lassen und
es mit siebzig wohlgelungenen Abbildungen geschmückt.
Prag. Emil Utitz.

Arthur Seidl, Vom Musikalisch-Erhabenen. Ein Beitrag zur Ästhetik der
Tonkunst. — Zweite, durchgearbeitete und vermehrte Auflage. — C. F. Kahnt
Nachfolger, Leipzig, 1907. gr. 8°. 275 S.
Von der ersten, im Jahre 1887 erschienenen Auflage seiner Schrift bekennt der
Verfasser freimütig selbst, daß sie alle Merkmale und leider auch Mängel einer
Dissertation an sich getragen habe. Die vorliegende zweite Auflage verdankt ihre
Entstehung in erster Linie weniger einem Verlangen des Autors, als einer Anregung
des Verlegers. Auch diese zweite Auflage will Seidl lediglich als eine Vorstudie zur
Ästhetik der Tonkunst von andeutend-zusammenfassendem Charakter angesehen wissen.
Sein schriftstellerisches Verfahren bezeichnet er selbst als ein eklektisches. Er macht
durchaus kein Hehl daraus, daß er nicht nur keinen neuen, angeblich »einzig wahren
und endgültigen« Versuch, das Erhabene zu bestimmen, aufstellen, sondern das
Richtige aus den vielen früheren Theorien zu retten und mehr oder weniger eklek-
tisch für seine Formulierung zu verwerten trachten werde. Richard Wagner und
A. W. Ambros sind seine Leitsterne. Vor allem in Wagners Festschrift »Beethoven«
glaubt Seidl wertvolle Fingerzeige zu finden, die er für die Wissenschaft nutzbar
machen möchte. Großen Wert legt er auch auf die Anregungen, die er durch
Friedrich v. Hausegger empfing. Er hält Hausegger für eine epochemachende Er-
scheinung; dessen Buch »Das Jenseits des Künstlers« für ein Standard work der
modernen Kunstanschauung. Nur schüchtern wagt er es, in dem und jenem eine
von Hausegger abweichende Meinung geltend zu machen.
Der modernen psychologischen Ästhetik gegenüber verhält sich Seidl teils zu-
stimmend, teils ablehnend. Es hat durchaus seinen Beifall, daß man »von der
stolzen, unfruchtbaren, längst unzeitgemäß gewordenen Spekulativästhetik . . . ganz
folgerichtig zur voraussetzungslosen, erkenntnistheoretisch-psychologischen Forschung«
fortgeschritten sei. Seidl hält es für möglich und wahrscheinlich, daß die allgemeine
Ästhetik auf dem Umwege über die moderne Psychologie von der Ästhetik der
Tonkunst aus reformiert und vertieft werde. Anderseits ist Seidl aber doch der
Meinung, daß Psychologie »natürlich noch lange nicht dasselbe wie Ästhetik«
sei. Er verlangt zwar, daß jener exakten Wissenschaft »von außen« streng
Rechnung getragen werde, betont aber auch die Pflicht, ihr an entscheidender Stelle
»mit gebührender Autorität« entgegenzutreten. Seidl handelt selbst diesem Grund-
sätze gemäß, indem er die »geradezu lächerliche« moderne Scheu vor dem Un-
bewußten geißelt. Mit Hausegger fordert er »psychologische Ästhetik von innen«.
 
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