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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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Laurila, Kaarle S.: Zur Theorie der ästhetischen Gefühle
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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0494
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KAARLE S. LAURILA.

erheben kann, doch praktisch zweckmäßig und fruchtbar ist — und
das ist ja der wichtigste Vorzug einer Einteilung1).
Ich habe nun auch nicht die Absicht, gegen diese Einteilung im
ganzen etwas einzuwenden. Es ist aber, meines Erachtens, mit dieser
üblichen Klassifikation der Gefühle eine Auffassung von der Natur
und der Stellung der ästhetischen Gefühle eng verwachsen, die mir
in gewissen Beziehungen schief und irreführend erscheint. Und gegen
diese schiefe Auffassung möchte ich hier einiges Vorbringen.
Wenn ich mich nicht irre, so denkt man sich ganz allgemein und
meistens wohl ohne tiefere Reflexion die Stellung der ästhetischen
Gefühle ungefähr folgendermaßen. Man meint, die ästhetischen Ge-
fühle bildeten ein abgesondertes und abgegrenztes eigenes Eckchen
unter anderen Gefühlen, seien eine besondere koordinierte Gruppe
neben vielen anderen Gefühlsklassen, zunächst neben den logischen,
ethischen und religiösen, und unterschieden sich von diesen und
anderen Gefühlen auf ähnliche Weise, wie die logischen, ethischen
und religiösen Gefühle sich voneinander und von anderen Gefühlen
unterscheiden. Diese Auffassung von der Stellung der ästhetischen
Gefühle in unserem Gefühlsleben scheint mir nun in gewissen Be-
ziehungen verkehrt, und ich glaube, die übliche Klassifikation der Ge-
fühle hat zu dem Irrtum mit Anlaß gegeben, obgleich allerdings kein
notwendiger Zusammenhang dazwischen besteht.
So scheint z. B. Wundt, der doch auch die übliche Klassifikation
der Gefühle im großen und ganzen gelten läßt, nicht die eben be-
schriebene Auffassung von der Stellung der ästhetischen Gefühle zu
teilen.
Wenigstens an einer Stelle definiert und beschreibt Wundt die
ästhetischen Gefühle auf eine Weise, die mit einer solchen Auffassung
unvereinbar ist, nach welcher den ästhetischen Gefühlen eine Gleich-

9 Der Einwand Ribots (Psych. des Sent. S. 133), Külpes (Grundriß der Psych.
[1893] S. 238) und anderer, daß diese Einteilung im Grunde keine Einteilung der
Gefühle selbst, sondern nur eine Einteilung ihrer Ursachen, d. h. der Erkenntnis-
elemente sei, ist ja, wie wir später noch genauer sehen werden, an und für sich
ganz richtig, beweist aber nichts Wesentliches gegen die Berechtigung und Brauch-
barkeit dieser Einteilung. Denn warum sollte man nicht Gefühle auch auf Grund
ihrer Ursachen oder ihres Ursprungs einteilen dürfen, wenn daraus nur eine zweck-
mäßige und brauchbare Einteilung entspringt? Es ist ja doch keineswegs gesagt,
daß jede Einteilung der Erscheinungen immer auf Grund ihres inneren Wesens er-
folgen muß. Es kommt nur darauf an, welcher Gesichtspunkt die klarste und prak-
tisch zweckmäßigste Einteilung möglich macht. Und bei den Gefühlen ist es ent-
schieden ihr Ursprung, d. h. die Eigenart der Erkenntniselemente, welche die Gefühle
hervorrufen, nicht ihr Wesen, denn dieses bietet nur wenige und schwankende An-
griffspunkte zu einer Einteilung.
 
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