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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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Laurila, Kaarle S.: Zur Theorie der ästhetischen Gefühle
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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0515
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ZUR THEORIE DER ÄSTHETISCHEN GEFÜHLE.

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Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß es ein ästhetisches Ver-
halten gibt und daß dieses Verhalten seine bestimmte Eigenart hat,
wodurch es sich von den anderen Verhaltungsweisen des Menschen,
dem theoretischen und praktischen, scharf und bestimmt unterscheidet.
Es gilt nur über diese Eigenart des ästhetischen Verhaltens ins klare
zu kommen, sie zu analysieren und danach in klare Begriffe zu fassen.
Für die notwendige Analyse haben wir einen sicheren Ausgangspunkt.
Es wurde schon gesagt, daß ästhetisches Verhalten mit Sicherheit im
Gebiet der Kunst anzutreffen ist, genauer: im Verhalten des Künstlers
seinem Stoff gegenüber. Wenn der Künstler die Natur als mögliches
Objekt künstlerischer Behandlung betrachtet, dann betrachtet er sie
ästhetisch, sein Verhalten den Erscheinungen gegenüber ist dann ein
ästhetisches Verhalten, und die Gefühle, welche die Erscheinungen
in ihm auslösen, müssen ästhetische Gefühle sein. Wir fragen dem-
nach: worin steckt das Eigenartige des künstlerischen Verhaltens, d. h.
des Verhaltens des Künstlers seinem Stoff gegenüber? Vergleichen
wir das Verhalten des Künstlers zu einer gegebenen Erscheinung mit
dem Verhalten des Theoretikers und des Praktikers derselben Er-
scheinung gegenüber! Wir nehmen an, ein Fischer (der wohl als
typischer Vertreter des Praktikers gelten kann), ein Hydrograph (der
ohne jeden Zweifel den Theoretiker vertritt) und ein Maler stehen am
Meer und verhalten sich ihrem Beruf gemäß zu diesem Objekt, d. h.
jeder betrachte es von dem ihm eigenen Gesichtspunkt aus. Was ist
dann das Eigentümliche an jeder von diesen Verhaltungsweisen?
Der Fischer beobachtet die Richtung des Windes, seine Stärke,
den Wellenschlag, vielleicht auch den Stand des Wassers und andere
Anzeichen, um entscheiden zu können, was er tun soll, welche
Maßregeln zu treffen sind, ob Aussicht für Fischfang vorhanden ist,
ob er die Netze auswerfen kann oder ob irgendwelche Vorsichts-
maßregeln zu treffen sind oder dergleichen. Was er also sucht, äst
einzig und allein eine Richtschnur für das Handeln; sein Verhalten ist
durchaus ein praktisches oder, psychologisch ausgedrückt, ein Willens-
verhalten. Deshalb fragt er auch nicht viel danach, welche Ursachen
die von ihm beobachteten Erscheinungen haben, in welchem Zu-
sammenhang sie zueinander und zu anderen möglichen Erscheinungen
stehen und wie sie zu verstehen seien. Auch bleibt er nicht bei dem
Gefühlseindruck der beobachteten Erscheinungen stehen, er läßt ihnen
keine genügende Zeit, auf sich zu wirken, läßt sich nicht in Stimmungen
einwiegen, sondern er gleitet rasch über den Gefühlswert wie auch

Eindruck aus einer oder mehreren Quellen abzuleiten?« (Archiv f. d. gesamte Psy-
chologie, Juli 1909.) Die beiden Aufsätze ergänzen sich also.
 
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