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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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Cassirer, Ernst: Goethes Pandora
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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0139
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134 ERNST CASSIRER.

gangen« sei. Dieser Zug zum Generellen ist keineswegs eine Wen-
dung ins bloß Abstrakte: denn auch hier noch gestaltete er aus dem
unmittelbaren Ganzen seines Lebensgefühls heraus. Diesem Lebens-
gefühl selbst war jetzt ein neuer Zug des Allgemeinen eigen. Die
Grundgegensätze und die Grundphasen des Lebens: das Leben der
Jugend und das des Alters; das Leben im Sinnen und Bilden und das
Leben in Entschluß und Tat, dies alles sind für Goethe jetzt keine
bloß begrifflichen Sonderungen mehr, sondern es sind selbst beseelte
und gefühlte Einheiten. Goethe hat in manchen seiner Maskenspiele,
z. B. in »Palaeophron und Neoterpe«, solche Gegensätze, wie Alter
und Jugend, bisweilen auch als bloße Masken hingestellt und darge-
stellt. Die Pandora aber zeigt eben hier den ganzen Abstand, der
dieses höchste symbolische Festspiel von der Allegorie der Maskenzüge
trennt. Sie steht am Anfang des neuen künstlerischen Altersstils
Goethes, — eines Stils, dessen Geheimnis darin besteht, daß er nicht
nur die besonderen Lebenserscheinungen, sondern die allgemeinen
Lebensmächte sichtbar werden und in geschlossenen Gestalten heraus-
treten läßt. Das Dringen auf das »Urbildliche« und »Typische«, das
Goethes ganze klassische Periode kennzeichnet, ist in ihm aufs höchste
gesteigert — aber es hat den Anschein einer fremden, dem Gegen-
stand selbst von außen aufgedrängten Tendenz verloren, weil es sich
mit der individuellen Weise des Sehens und Erlebens, von der Goethe
beherrscht ist, rein und vollständig durchdrungen hat.
 
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