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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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Görland, Albert: Die dramatischen Stilgegensätze bei Grillparzer und Hebbel
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Eisler, Max: Die Sprache der Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0315
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310 BEMERKUNGEN.

Dauer berufenen Seite. Gegen die methodische Verwendung seiner Terminologie
konnten sich auch aus besonnener Richtung (Ernst Heidrich, Zur Methodenlehre in
Beiträge zur Geschichte und Methode der Kunstgeschichte, Basel 1917; zuerst in
der Zeitschrift für Ästhetik und Kunstwissenschaft VII, 117 ff.) Einwände erheben,
die man nicht völlig entkräften, wohl aber reichlich einschränken kann. Denn einmal
konnte damals im ersten Anlaufe nicht alles auch schon deutlich, nur einer Auffassung
zugänglich gesagt werden und überdies reichte es noch nicht zum vollständigen
Ausbau einer neuen Methode. Es ist also eigentlich der Fehler der Nachfolger,
wenn sie aus jener teilweisen Terminologie eine Methode machen. Immerhin, der
von seinen Stoffen befreite Vorgang Riegls bietet eine noch ungereinigte Mischung
historischer und kunstwissenschaftlicher Grundsätze. Aber es wäre ungerecht, ihn
auf dieses fernere, seiner Zeit noch kaum mögliche Ziel der verselbständigten
Methode hin prüfen zu wollen. Man ist gerechter, wenn man den Schrittmacher
der Wissenschaft ins Auge faßt. Und das ist er im weittragenden Sinne, namentlich
durch die Statuierung neuer Begriffe und ihrer Wortbildungen, geworden.

Es sind nur sehr wenige, aber diese wenigen von einer Fruchtbarkeit, die noch
immer nicht erschöpft ist. Gerade an diesem Unverhältnis von bewegender Ursache
und den ihr folgenden Bildungen, Welle und Kreis, bestätigt sich die besondere
Bedeutung des neuen Wortes. Wir sahen es unter unseren Augen, wie sich Dar-
stellungen von Kunststoffen (Hans Jantzen, Das niederländische Architekturbild) und
Kunstbegriffen (Heinrich Wölfflin, Kunstgeschichtliche Grundbegriffe) mit großem
Gewinn für sich von zwei Riegischen Gegenwörtern anregen ließen. Und wir
sehen noch, wie unter demselben Einflüsse historische Untersuchungen sich ver-
anlaßt finden, ihrer genetischen Darlegung eine qualitative Zusammenfassung folgen
zu lassen und damit recht sinnfällig den methodisch unfertigen Zustand ihres Vor-
bildes bekräftigen. Ein paar Wörter haben solche Wirkungen zuwege gebracht.
Aber ist nicht auch sonst der Neugehalt geistiger Lebensarbeit, auch der größten,
in wenigen Wörtern gelegen und sie die eigentlichen Stationen des wissenschaftlichen
Fortschritts? (Fritz Mauthner, Kritik der Sprache I, 644 ff.).

Dabei sind selbst diese wenigen Riegischen Wörter nicht einmal geschickt ge-
wählt und bieten mannigfachen Angriffen leichtes Feld. Wir nehmen z. B. nur die
bei jenem Forscher führende Unterscheidung von »optisch« und »haptisch«. Zu-
nächst wird man sich gegen das Fremdsprachige dieser Bezeichnungen wenden und
sie als einen überflüssigen Rückstand unserer philologischen Erziehung bekämpfen
wollen. Auch ist das eine Wort mit anderem Inhalt in der Physik geläufig, das
zweite ungebräuchlich. Aber jeder Versuch einer Verdeutschung stößt auf kaum
überwindbare Schwierigkeiten. »Sichtbar« und »tastbar« entspricht jenem fremd-
sprachigen Begriffspaar so wenig wie »Gesehenes (Geschautes)« und »Getastetes
(Gegriffenes)«. Denn mit »sieht-« und »tastbar« werden nur objektive Eigenschaften
des Kunststoffes ausgedrückt. während Riegl gerade den Eingriff des gestaltenden
Subjektes meint und bei ihm — z. B. in der Malerei — ein objektiv Tastbares zum
künstlerisch Optischen werden kann. Die zweite Art deutscher Benennung kommt
dem künstlerischen Akt, der bezeichnet sein will, näher, doch sie erschöpft ihn
nicht, und überdies ist ihre Partizipialform für den mannigfachen Gebrauch weniger
geeignet als das fremdsprachige Adjektiv, das sich auch substantivieren läßt. Im
ganzen aber gilt — man wird es beklagen, doch nicht ändern können —, daß die
deutsche Ausdrucksweise durch den häufigen Bedeutungswandel und durch die
alltägliche Verwendung ihre Schärfe und wissenschaftliche Brauchbarkeit vermindert
hat. Und wenn auch das Fremdwort ursprünglich ebensowenig den Begriff deckt,
den es in die Wissenschaft einführt, so eignet es sich eben infolge seiner Fremd-
 
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