82 - CHARLOTTE BÜHLER.
fraglich das Erlebnis, das ihn rechtfertigt. Der halbkünstlerische Er-
finder setzt eine Idee und die Veranschaulichung daneben, dazu, bringt
es nicht zu organischer Durchdringung, wie in jenem Fall der Ideen-
verwirklichung. Dumas z. B. nimmt die Rache und konstruiert eine
Reihe von Anschauungsformen derselben, Karl May nimmt die Freund-
schaft oder andere unsterbliche Ideen und setzt ihr in Winnetous
Gestalt ein monumentum aere perennius. Auch in Schillers Räubern
sind die Menschen noch auffallend »behangen« mit Eigenschaften,
die der Idee zuliebe konstruiert sind. Erlebt, durchrungen und ent-
deckend herausgelöst aus dem Erleben aber ist das Problem, seine
Freiheitsidee und ihre gestaltete Wandlung, während jene anderen
angeführten Beispiele die Idee starr und stabil zeigen.
Im großen Dichter vereinigen sich, wie wir hier sehen und unter-
wegs schon bemerken konnten _ Analyse und Synthese, Entdeckung
und Erfindung. Formung und Materialgewinnung stehen ohnehin oft
auf verschiedenem Blatt.
Den Konstruktionsgang eines mit Zufällen arbeitenden reinen Er-
findungstyps im Gegensatz zum Kausalgang eines wesentlich ent-
deckenden Werkes soll die Analyse des Monte Christo und des
>Heiligen« von Conrad Ferdinand Meyer aufzeigen. Dann bleibt
noch die Einheitsbildung zum Schluß des näheren zu besprechen.
Zunächst also: »der Graf von Monte Christo« von Alexander Dumas
und »der Heilige« von Conrad Ferdinand Meyer. Motiv: Die Rache.
Der Frevel, der sie hervorruft, wird im Falle Monte Christo von
mehreren Personen vollführt: gerichtliche Anzeige durch einen Neider,
Mitwisserschaft eines Eifersüchtigen und eines Geldgierigen, Justiz-
verbrechen in Form ungerechter Verurteilung durch einen Ehrgeizigen.
Von allen Beteiligten aus gesehen: Beseitigung eines Unbequemen.
Der Frevel im Falle »der Heilige« ist tödliche Beleidigung eines
Vaters durch Verführung seiner Tochter.
Die Rache im Falle Monte Christo ist der Sturz der Verbrecher
aus ihren glänzenden Laufbahnen und zwar jedes einzelnen auf be-
sondere Weise. Der erste wird pekuniär ruiniert, des zweiten Ehr-
losigkeit wird bloßgestellt, der dritte kommt bei einem neuen Ver-
brechen um, das ihm zur Falle wird, der vierte wird eines Verbrechens
überführt. Es kommt dem Grafen von Monte Christo und seiner Rache
glücklich zupaß, daß diejenigen, die an ihm frevelten, sich weiterer
Ruchlosigkeiten in ihrem Leben nicht enthalten konnten. Man kann
aber nicht behaupten, daß diese Ruchlosigkeiten in irgend einem
inneren Zusammenhang mit dem anfangs geschilderten Charakter der
vier Bösen ständen, abgesehen davon, daß es eben wiederum böse
Handlungen schlecht veranlagter Menschen sind, und man kann — da
fraglich das Erlebnis, das ihn rechtfertigt. Der halbkünstlerische Er-
finder setzt eine Idee und die Veranschaulichung daneben, dazu, bringt
es nicht zu organischer Durchdringung, wie in jenem Fall der Ideen-
verwirklichung. Dumas z. B. nimmt die Rache und konstruiert eine
Reihe von Anschauungsformen derselben, Karl May nimmt die Freund-
schaft oder andere unsterbliche Ideen und setzt ihr in Winnetous
Gestalt ein monumentum aere perennius. Auch in Schillers Räubern
sind die Menschen noch auffallend »behangen« mit Eigenschaften,
die der Idee zuliebe konstruiert sind. Erlebt, durchrungen und ent-
deckend herausgelöst aus dem Erleben aber ist das Problem, seine
Freiheitsidee und ihre gestaltete Wandlung, während jene anderen
angeführten Beispiele die Idee starr und stabil zeigen.
Im großen Dichter vereinigen sich, wie wir hier sehen und unter-
wegs schon bemerken konnten _ Analyse und Synthese, Entdeckung
und Erfindung. Formung und Materialgewinnung stehen ohnehin oft
auf verschiedenem Blatt.
Den Konstruktionsgang eines mit Zufällen arbeitenden reinen Er-
findungstyps im Gegensatz zum Kausalgang eines wesentlich ent-
deckenden Werkes soll die Analyse des Monte Christo und des
>Heiligen« von Conrad Ferdinand Meyer aufzeigen. Dann bleibt
noch die Einheitsbildung zum Schluß des näheren zu besprechen.
Zunächst also: »der Graf von Monte Christo« von Alexander Dumas
und »der Heilige« von Conrad Ferdinand Meyer. Motiv: Die Rache.
Der Frevel, der sie hervorruft, wird im Falle Monte Christo von
mehreren Personen vollführt: gerichtliche Anzeige durch einen Neider,
Mitwisserschaft eines Eifersüchtigen und eines Geldgierigen, Justiz-
verbrechen in Form ungerechter Verurteilung durch einen Ehrgeizigen.
Von allen Beteiligten aus gesehen: Beseitigung eines Unbequemen.
Der Frevel im Falle »der Heilige« ist tödliche Beleidigung eines
Vaters durch Verführung seiner Tochter.
Die Rache im Falle Monte Christo ist der Sturz der Verbrecher
aus ihren glänzenden Laufbahnen und zwar jedes einzelnen auf be-
sondere Weise. Der erste wird pekuniär ruiniert, des zweiten Ehr-
losigkeit wird bloßgestellt, der dritte kommt bei einem neuen Ver-
brechen um, das ihm zur Falle wird, der vierte wird eines Verbrechens
überführt. Es kommt dem Grafen von Monte Christo und seiner Rache
glücklich zupaß, daß diejenigen, die an ihm frevelten, sich weiterer
Ruchlosigkeiten in ihrem Leben nicht enthalten konnten. Man kann
aber nicht behaupten, daß diese Ruchlosigkeiten in irgend einem
inneren Zusammenhang mit dem anfangs geschilderten Charakter der
vier Bösen ständen, abgesehen davon, daß es eben wiederum böse
Handlungen schlecht veranlagter Menschen sind, und man kann — da