ERFINDUNG UND ENTDECKUNG. 87
Idee gesetzt, andererseits soll sie erst durch das Erleben der Personen
realisiert werden. Auf mich wirkte bisher die Angleichung des Er-
lebens an das Naturgesetz nie völlig adäquat, weil die Idee der che-
mischen Wahlverwandtschaft auf Tatsachen fußt und nicht Norm ist,
während die Idee der psychologischen Wahlverwandtschaft nicht
ebenso einfach tatsächlich gesetzt, sondern umständlich konstruiert
und psychologisch begründet wurde. Ich stelle dagegen einmal die
moderne Wendung: Idee als Norm, und das sich ihr beugende oder
widerstrebende Handeln, oder die sonstige Weise der Klassiker: das
Erleben entwickelt uns das Gesetz. In den Wahlverwandtschaften
wird Goethe, wie Walzel nachweist, Romantiker. Romantiker auch
meine ich in der unmittelbaren Zusammenstellung von Konstruktion
und Wirklichkeit. Wie Hegel, Schelling, Fichte ein System konstruieren,
das ein unmittelbares Abbild der realen Verhältnisse zu sein behauptet,
bildet Goethe das chemische Gesetz im Psychischen nach. Wirkt nicht
auch hier die unvermittelte Angleichung der Wirklichkeit an die Kon-
struktion gezwungen?
Wir schließen mit einer Frage. Die angewandte Literaturpsycho-
logie beginnt erst und soll sich nicht durch vorschnelle Analyse in
üblen Ruf bringen. Diese kleine Studie soll viel mehr Anregungen als
endgültige Resultate geben. So wurden die meisten Fragen der An-
wendung zunächst nur von irgend einem theoretischen Gesichtspunkt
aus beleuchtet und nicht in ihrer umfassenden Vielseitigkeit erschöpft.
Idee gesetzt, andererseits soll sie erst durch das Erleben der Personen
realisiert werden. Auf mich wirkte bisher die Angleichung des Er-
lebens an das Naturgesetz nie völlig adäquat, weil die Idee der che-
mischen Wahlverwandtschaft auf Tatsachen fußt und nicht Norm ist,
während die Idee der psychologischen Wahlverwandtschaft nicht
ebenso einfach tatsächlich gesetzt, sondern umständlich konstruiert
und psychologisch begründet wurde. Ich stelle dagegen einmal die
moderne Wendung: Idee als Norm, und das sich ihr beugende oder
widerstrebende Handeln, oder die sonstige Weise der Klassiker: das
Erleben entwickelt uns das Gesetz. In den Wahlverwandtschaften
wird Goethe, wie Walzel nachweist, Romantiker. Romantiker auch
meine ich in der unmittelbaren Zusammenstellung von Konstruktion
und Wirklichkeit. Wie Hegel, Schelling, Fichte ein System konstruieren,
das ein unmittelbares Abbild der realen Verhältnisse zu sein behauptet,
bildet Goethe das chemische Gesetz im Psychischen nach. Wirkt nicht
auch hier die unvermittelte Angleichung der Wirklichkeit an die Kon-
struktion gezwungen?
Wir schließen mit einer Frage. Die angewandte Literaturpsycho-
logie beginnt erst und soll sich nicht durch vorschnelle Analyse in
üblen Ruf bringen. Diese kleine Studie soll viel mehr Anregungen als
endgültige Resultate geben. So wurden die meisten Fragen der An-
wendung zunächst nur von irgend einem theoretischen Gesichtspunkt
aus beleuchtet und nicht in ihrer umfassenden Vielseitigkeit erschöpft.