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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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Marzynski, Georg: Zwei Darstellungsprobleme der bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0377
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ZWEI DARSTELLUNGSPROBLEME DER BILDENDEN KUNST. 373

richtungen des Auges. Denn dessen Erregbarkeit konnte sich nicht
verändern, da die allgemeine Beleuchtung des Raumes die gleiche
blieb. In solchen Fällen spricht man von zentraler Transformation und
will mit dem Wort »zentral« sagen, daß dabei psychologische Vorgänge
im Spiele sind. Diese Transformation ist nämlich ganz davon ab-
hängig, daß ich den Gegenstand als solchen und die Beleuchtungs-
verhältnisse richtig erkenne. Halte ich vor die beschattete Scheibe
einen Schirm mit enger Öffnung, in dem nur ein Teil von ihr sicht-
bar wird, so erscheint dieser Teil sofort nicht mehr als weiß mit einem
Schatten davor, sondern als dunkelgrau, wie es seine objektive Licht-
stärke verlangt. Dies nennt man die »Reduktion« der vorher trans-
formierten Farbe.

Man sieht, daß beschattete Gegenstände nach der Reduktion die-
jenige Farbe annehmen, welche ihrer Eindringlichkeit entspricht. Und
die Reduktion ist daran gebunden, daß man die Gegenständlichkeit
der Dinge für die Wahrnehmung unterdrückt. Eine Sehweise also,
welche sich für die Gegenstände interessiert, wird den Schatten als
feinen Schleier geben müssen. Wenn die Impressionisten hingegen
proklamieren: Nicht die Gegenstände, sondern das Licht selbst soll
dargestellt werden, so verlangen sie sozusagen nichts anderes als die
Darstellung der Schatten nach ihrem Reduktionswert, unter Ausschal-
tung der Transformation, Aber sie wenden keine äußeren Hilfsmittel
an, um die Reduktion auszuführen, sondern sozusagen psychologische,
indem sie die Schatten auf ihre Eindringlichkeit hin ansehen. Denn die
Eindringlichkeit einer beschatteten Fläche entspricht ihrer objektiven
Lichtstärke, und d. h. ihrem Reduktionswert.

Zum Schluß noch eine allgemeine Bemerkung. Wenn man sich
die Gesamtpsychologie des »impressionistischen« Zeitalters ansieht, so
wird man zwei Kennzeichen finden. Diese Zeit war positivistisch
auf die Erkenntnis der Wirklichkeitszusammenhänge gerichtet und fand
letzte Befriedigung in der Kultivierung des Empfindungslebens. Sie
war in Wahrheit subjektivistisch und objektivistisch in einem. Und
nun die Methode des Zeichnens nach der Eindringlichkeit: Unterschiede
der Eindringlichkeit entsprechen genau den Unterschieden der physi-
kalischen Lichtstärken, aber die Beachtung der Eindringlichkeit verlangt
eine Aufmerksamkeitsrichtung, welche nach innen und nicht nach außen
gekehrt ist, welche die Wirkungen der Reize auf das eigene Bewußt-
sein beachtet. Die Parallele ist deutlich und sicher nicht zufällig.


 
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