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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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Martens, Rolf Wolfgang: Über das Komische und den Witz
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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0471
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BEMERKUNGEN.

467

Fechner erklärt: »Im ersten Beispiel ist es der Begriff der Teuerung, im zweiten
das Geschäft mit den 300 Gulden, im dritten der Toast auf die Mitglieder der Ge-
sellschaft, was die einheitliche Vermittlung zwischen den verschiedenen Bedeutungen
begründet!« — Das ist unrichtig, denn im ersten Fall ist es das Wort »Elfenbein«,
worunter 1. das Bein der elfentanzenden Tänzerin, 2. Elephantenzahn verstanden
wird. Im zweiten Fall ist es der Ausdruck »kommen, um«, — was 1. bedeutet
»hergehen«, und 2. »verlieren«. Im dritten Fall bildet das Wort »mit Nichten« den
komischen Sprung; 1. bedeutet es »mit Geschwisterkindern«, 2. »unberechtigter-
weise«. — Wie ich während der Vorarbeiten zu dieser Studie feststellen konnte,
hängt die Fähigkeit hier richtig zu urteilen, lediglich von der Häufigkeit der
Übung ab.

Das Komische selbst kann aber wiederum seinerseits als Hilfsprinzip respektive
als Mittel für andere Zwecke auftreten, z. B. in den politischen Komödien der Alten,
in der Satire, in der Karikatur usw., zu den realen Zwecken der Verächtlichmachung
des Gegners oder der Diskreditierung gewisser Ansichten und Geistesrichtungen,
oder zur Verhöhnung unberechtigter Machtfaktoren. — Die Ironie benutzt die
komische Form einer scheinbaren Anerkennung von bestimmten Eigenschaften des
Gegners oder der zu tadelnden Sache, um auf das Fehlen derselben oder ihren un-
zulänglichen Zustand hinzuweisen. In der Parodie dient das komische Element zur
Verspottung einer literarischen Stilform, in der Travestie zur Herabsetzung eines
mißliebigen Stoffes. Auch die ernste Dichtung gebraucht das Komische zur Ver-
stärkung des Gegensatzes zum Tragischen, wie die vielen komischen Figuren in
seriösen Werken beweisen.

Die Komik, auch der Witz kann nun in einer ganz besonders veredelten Form
auftreten, die man seit dem achtzehnten Jahrhundert mit Humor bezeichnet.
(Früher wurde das Wort ziemlich gleichbedeutend mit Komik gebraucht; ein scharf
umrissener Begriff hat sich erst nach und nach herausgebildet.) Wenn wir nun fest-
stellen wollen, was im Humor zu den komischen Grundelementen (der Fabel mit
der heiteren Tendenz, den beiden verschiedenartigen Vorstellungen, und dem komi-
schen Sprung) noch hinzutritt, so werden wir finden, daß es sich hier im wesent-
lichen nicht um ein Moment handelt, das der Sache anhaftet (also objektiv ist),
sondern daß es hier auf unsere Betrachtungsweise, mit der wir das komische
Objekt auffassen, ankommt. Es handelt sich im Humor um eine erweiterte An-
schauungsform, die uns die Dinge sab specie aeternitatis sehen läßt, und die sie mit
einer Weltanschauung in Verbindung bringt. Das Kleinliche, Lächerliche des vor-
liegenden komischen Vorfalls wird verglichen mit dem Ewigen und den dahinter-
liegenden Gesetzen der Natur. Dadurch gewinnt unsere Stellungnahme eine Größe,
ein Verstehen des Unvollkommenen und Erbärmlichen, ein Verzeihen des Fehler-
haften und oft sogar ein Aussöhnen mit der Wirklichkeit, das etwas Optimistisches
an sich hat. Am einfachsten sagt es eine Bemerkung Dessoirs: »Unter Humor
verstehen wir eine Gemütsstimmung, in der ein Mensch sich seiner Bedeutung und
zugleich seiner Bedeutungslosigkeit bewußt ist.« (Ästhetik und allgem. Kunstwissen-
schaft, S. 224.)

„Psychoanalyse und Kunstphüosopie". Zu diesem Aufsalz des Herrn Dr. O. E. Hesse
(S. 328)'wünscht Herr Dr. Otto Rank festgestellt zu sehen, daß sein Buch „Der Künstler" in erster Auf-
lage bereits 1907, also vor Stekels Buch, erschienen ist und durch das umfangreiche Werk „Das Inzest-
•notiv in Dichtung und Sage" (1912) ergänzt wird.
 
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