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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Braun, Joseph: Maria Magdalena oder Herodias?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0026

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25

1S06.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

2&

Drittens beruft sich der Verfasser auf eine
angebliche Legende, welche von einem Liebes-
verhältnisse Johannes d. T. und der Herodias
fabelt. „Das Bild ist nach meiner Überzeugung
eine Illustration zu der Legende, welche von
einem Liebesverhältnis Johannes des Täufers
und der Herodias fabelt, und zu den Nach-
stellungen, welchen der Bußprediger von seiten
des buhlerischen Weibes ausgesetzt, die mit
seiner Enthauptung endigten." Allein dem j
Mittelalter ist eine solche Legende gänzlich
unbekannt. Ja, ich stehe nicht an, sie in dem-
selben als ganz undenkbar zu bezeichnen. Ge-
wiß sind die mittelalterlichen Legenden keines-
wegs allzeit zart und engherzig, aber eine solche
Verballhornung der Erzählung der hl. Schrift,
wie sie jene angebliche Legende darstellt, ist
ein zu starkes Stück, als daß sie im Mittelalter
bei aller naiven Derbheit desselben möglich
gewesen wäre. Wirklich ist sie denn auch
sehr jungen Datums; sie entstammt erst der
zweiten Hälfte des XIX. Jahrh. als Frucht
moderner irreligiöser Phantasie. Es gehörte
ein Sudermann dazu, um diese Legende zu
schaffen.

Alles in allem, es bleibt bei der alten Deu-
tung. Es ist durchaus unzulässig, die Aachener
Tafel als „Herodias und Johannes d. T." zu
bezeichnen. DieFiguren stellen MariaMagdalena
und Johannes dar. Daß auf dem Bilde die beiden
Heiligen zusammengestellt sind, mag an dem
zufälligen Umstand liegen, daß sie die Namens-
patrone des Bestellers waren, oder daß dieser
gerade zu ihnen eine besondere Andacht hatte.
Will man aber dem Gemälde einen tieferen Sinn
unterlegen, so mag es der sein, daß beide Heilige
zu den christologischen Heiligen zählen, Johannes,
der auf den Herrn bei Beginn von dessen öffent-
licher Lehrtätigkeit als sein von dein Propheten
verheißener Vorläufer hinwies, und MariaMagda-
lena, die ihn zu Bethania salbte und in der Frühe
des Ostermorgens mit den anderen Frauen am
Grab erschien, um die Salbung, die sie vorher nicht
hatte ausführen können, nachzuholen. Johannes
steht am Anfange des öffentlichen Wirkens
Jesu, Maria Magdalena am Schlüsse seines
Lebens, der eine führt ihn in die Öffentlichkeit,
die andere hilft ihm nach Abschluß seines
Erdenlaufs ein geziemendes Grab bereiten.
Luxemburg. Jos. Braun, S. J

Nachrichten.

Jules Heibig f. Der hochverdiente Heraus-
geber der „Revue de l'art chrctien" ist in seiner
Geburtsstadt Lüttich am 15. Februar d. J. im Alter
von nahezu 85 Jahren gestorben. — Als tüchtiger
Zeichner und Maler, der in gläubiger Gesinnung an
den alten Meisterwerken, vornehmlich der flandrischen
und italienischen Schulen sich inspiriert hatte, übte
er, im Bunde mit seinem Freunde Jean Bethune hin-
sichtlich der Wiederbelebung der christlichen Kunst in
Belgien fast seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts,
einen großen Einfluß aus, der auch über die Grenze nach
Aachen sich erstreckte, wo er die neue Marienkirche
ausmalte und an den Entwürfen für das Kuppelmosaik
des Oktogons mitarbeitete. — In seiner Heimatprovinz
Heß er sich die Aufklärung ihrer geschichtlichen und
namentlich künstlerischen Vergangenheit, die Er-
forschung und Erhaltung ihrer Denkmäler, die Samm-
lung und Bewahrung ihrer Kunstschätze voll Hin-
gebung angelegen sein, wegen seines Wissens, Eifers,
Taktes, Opfersinnes bei den geistlichen wie bei den
weltlichen Behörden im höchsten Ansehen stehend —
Bis in sein hohes Greisenalter hat er sich mit ganz
ungewöhnlicher Frische diesen und anderen ehren-
vollen Aufgaben gewidmet, namentlich auch durch
die von ihm seit 1883 mit so viel Erfolg wie Geschick

besorgte Redaktion der hochgeachteten Zeitschrift,
die als unsere viel ältere Kollegin in Belgien und
Frankreich bereits ein halbes Jahrhundert die Fahne
der christlichen Kunst, der alten wie der neuen, in
Woit und Bild hochhält. — In ebenso bestimmter
als maßvoller und feinsinniger Weise trat er in die
Schranken für die ästhetische und vorbildliche Be-
deutung der mittelalterlichen Kunstwerke, für deren
Veröffentlichung er in seinem Sprachenbereich die
besten Kräfte zu vereinigen wußte, aber auch aus
den Rheinlanden anzuziehen verstand, denen er durch
seinen Mainzer Ursprung und mancherlei persönliche
Beziehungen sehr nahe stand. — Von der romanti-
schen Bewegung, aus der er herausgewachsen war
als einer ihrer begeistertsten, kenntnisreichsten, zähesten
und arbeitsfreudigsten Adepten, hat er den soliden
Kern bis zu seinem Ende treu gepflegt, ein Freund
der Innerlichkeit und Wahrheit, ein Feind der Will-
kür und Oberflächlichkeit, daher ein Bollwerk der
ernsten und strengen christlichen und besonders kirch-
lichen Kunst. „Sein Streben ging auf das Werk
seiner Kunst, ihr fügte sich seine Seele und seine
Forschung im Gesetze des Allerhöchsten*. Eccl
XXXVIII 39. R I. P. Schnilteea.
 
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