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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Hasak, Max: Die neue St. Bonifatiuskirche zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0055

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1006. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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sollen ebenfalls in gebranntem Ton mit farbigen
Glasuren hergestellt werden. Dabei ist die
Kirche im Inneren 55 m lang und zwischen
den Fensterwänden 20 m breit.

Hinten rings um die Kirche entsteht eine
ruhige Gartenstadt mit zierlichen, gotischen
Erkern, Türmchen und Giebeln, welche mitten
in dem hastigen Großstadttreiben angenehme
ruhige Wohnungen bietet, die, weil sie nur aus
vier oder drei Zimmern bei allem Zubehör als
Vorder- und Hintertreppe, Bad, Mädchen- und
Speisekammer, Erker und Loggia, bestehen,
sicherlich recht gesucht sein werden.

Vielleicht sendet der eine oder der andere
Leser dem immer geldbedürftigen Herrn Pfarrer
ein Erkleckliches zur inneren Ausstattung, die
möglichst ebenfalls aus gebranntem Ton her-
gestellt werden soll. — Mitten im alten Ziegel-
lande zwischen den himmelragenden Zeugen
der mittelalterlichen Kunstblüte liegt für den
Baumeister der Ehrgeiz nahe, im neuen deut-
schen Reiche dem gebrannten Tone neue Auf-
gaben zu stellen und sie neuzeitlich zu lösen.
In Ziegeln derartige Ausstattungsstücke her-
zustellen, ist zwar des öfteren versucht worden,
aber im besten Fall wirken sie als Kunststücke
im Ziegelrohbau. Zu all solchen Schmuck-
stücken gehört die Terrakotta und die Majolika.
Man mauerte auch im Mittelalter die Öfen
nicht aus Ziegeln auf außer in nebensächlichen
Räumen oder bei den Armen. In den üppigst
geformten Kacheln großer Abmessung mit den
herrlichsten Glasuren erheben sich jene Prunk-
stücke in den Ratssälen wie in den Wohn-
räumen der Bürger, die jedermann kennt. Zu
ihnen passen vortrefflich die Majolika-Altäre
der Robbias, wenn auch diese in unseren
Gegenden keine Genossen gefunden haben.
So sind für Wohnungen wie für Kirchen
passende Ausstattungsstücke zu schaffen, Kunst-
werke, die den verwöhntesten Augen stand-
halten. Daher soll hier in der Bonifatiuskirche
versucht werden, die Altäre wie die Kanzel,
den Taufbrunnen, die Piscina und die Stand-
leuchter aus Majolika herzustellen. Majoliken
nennt man diejenigen Erzeugnisse ausgebranntem
rotem Ton, welche mit deckenden farbigen
Glasuren überzogen, gemalt sind. Dem Unter-
zeichneten ist es gelungen, aus solchen Majolika-
stücken massive Decken herzustellen. Sonst
werden solche Decken in den Monumental-
bauten aus rohen Ziegelsteinen gewölbt, mit
Stuck überzogen und mit Farben angestrichen.

Das ist eigentlich ein wenig monumentales
Vorgehen. Es liegt nahe, den gebrannten Ton
auch als Träger der Kunstformen und der
Färbung zu verwenden und ihn zu zeigen, statt
denselben als stummen Knecht, der zwar alle
Arbeit leistet, unter vergänglichem Gips und
aufgestrichenen Farben zu verbergen. Zum
erstenmal hatte ich diesen Gedanken im Er-
weiterungsbau der Reichshauptbank zu Berlin
mit Hilfe von Villeroy und Boch zu verwirk-
lichen gesucht — allerdings mit weißem Scherben.
Es sind daraus herrliche Decken entstanden,
aber der landesübliche Ziegelton war nicht zu
Ehren gelangt. Bei dem Neubau der Reichsbank
in Danzig bot sich jedoch die Gelegenheit, den
roten Ton von Cadinen mit farbigen Glasuren als
echte Majolika zu den Decken zu verwenden.
Majestät hat sich selbst der Sache angenommen
und ein großes Majolikawerk in Cadinen er-
richtet. Der Direktor der Königlichen Por-
zellanmanufaktur Herr Geh.-Rat Heinecke hat
sowohl die vorzüglichen Glasuren für den Ca-
diner Ton erfunden wie auch das ganze Werk
angegeben. Die Decken in der Danziger
Reichsbank sind nun fertig und übertreffen
natürlich durch ihre Farbenpracht jede ge-
malte Stuckdecke. Das ist ein besonderes
Verdienst des Herrn Dr. Körner, des örtlichen
Leiters der Werkstätten zu Cadinen, der mit
wenig geübten Kräften dieses neue Kunst-
gewerbe am weltentlegenen Strand des Haffs
einzuführen hatte. Über dem Eingangsflur
wölbt sich eine kassettierte Tonne und über
dem Geschäftssaal sind zwischen eisernen
Trägern, die mit Kupfer verkleidet sind, scheit-
rechte Kappen aus Majolika-Kacheln gewölbt
worden. Letztere tragen unmittelbar auf ihrem
Rücken den Fußboden mit seinem Unter-
pflaster. Keinerlei Scheinarchitektur ist ge-
schaffen. Der glasierte rote Ton bildet die
Konstruktion und ist zugleich der Träger der
Kunstformen wie der Farben. — Da diese
ersten Erzeugnisse von Cadinen so vorzüglich
gelungen sind, so liegt es nahe, nun auch
weitere Gebiete für die Majolika zu erobern,
d. h. auch die Innenausstattung der Kirchen,
Festsäle, Treppenhäuser und Wohnräume, so
weit dies angängig und vertretbar ist, im farbig
glasierten Ziegelton herzustellen. Ein über-
mäßiger Aufwand wird dadurch nicht ge-
trieben, stellen sich doch die Kosten kaum
höher als die des angestrichenen Stuckes.

Grunewald bei Berlin.

Max Hasak.
 
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