Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

DOI Artikel:
Braun, Joseph: Eine alte Kopie des Gnadenbildes in der Franziskanerkirche zu Werl
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
119

1906.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

120

übereinander gelegt, so daß die Zehenspitzen
der Füße einander zugekehrt sind. Mit der
Linken hält es ein auf dem Knie ruhendes
Buch, die Rechte hat es zum Segen erhoben.
Die Statuette hat eine Höhe von 80 cm
und entstammt, wie ihr Stil und die Eigen-
tümlichkeiten der Gewandung bekunden, etwa
aus der Mitte des XIII. Jahrh. Es soll sich
ursprünglich in der Kirche zu Girkhausen bei
Berleburg befunden haben, von wo es dann
in die Wiesenkirche zu Soest
gekommen wäre. Hier stand
es in einer noch auf dem Chor
befindlichen Nische und genoß
große Verehrung. Alljährlich
wurde es in feierlicher Pro-
zession über den sog. Lieb-
frauenweg durch die Fluren
von Soest getragen. Seitdem
aber die Reformation um 1530
daselbst eingeführt wurde, er-
losch dieser Brauch wie über-
haupt die Verehrung des Bildes,
das nun in einer dunklen Nische
der Kirche verschlossen ge-
halten wurde. So blieb es,
bis 1G61 der Kurfürst vonKöln,
Max Heinrich, die Statuette
vom Magistrat zur Genugtuung
für einen von Soester Bürgern
auf kurfürstlichem Gebiet ver-
übten Jagdfrevel verlangte und
erhielt, worauf er sie nach Werl
in die Kirch eder Kapuziner, jetzt
Franziskaner, übertragen ließ.1)
Dieses Soest-Werler Gnaden-
bild hat jüngst in den »Bau-
und Kunstdenkmälern des
Kreises Soest« auf Grund einer Aufnahme des
Herrn Provinzial-Konservators Ludorff eine vor-
zügliche Wiedergabe gefunden,2) ich aber bin
in der Lage, hier eine interessante alte Kopie
des Bildes, die sich früher in meinem Besitz
befand, zur Abbildung zu bringen, nachdem
ich aus der Ludorffschen Reproduktion des
Werler Bildes ersehen habe, welche Bewandtnis
es mit derselben hat.

Ich erhielt die fragliche Kopie vor etwa
24 Jahren von der damaligen Oberin des
katholischen Krankenhauses zu Wipperfürth

') »Bau- und Kunstdenkmäler Westfalens, Kreis
Soest« (Münster 1905), S. 101, Anm. 1.
2) Ebendort, Tafel 153,2.

aus Dankbarkeit für manche demselben ge-
leistete Dienste. Wie sie in den Besitz
des Hospitals gelangte, ist mir unbekannt.
Wahrscheinlich gelangte sie in dasselbe mit
der übrigen Nachlassenschaft eines ihm über-
wiesenen und darin verstorbenen Insassen,
doch konnte ich darüber nichts näheres in
Erfahrung bringen.

Als das Bild, das ca. 40 cm hoch ist, also
die halbe Größe des Werler Originals hat, in
meine Hände kam, war es mit
einer dicken Schicht weißen
Lacks bedeckt, nach dessen
F^ntfernung die ursprüngliche
Polychromie, wenngleich nur
mangelhaft erhalten, zum Vor-
schein kam. Sie war auf kräftig
aufgetragenem Kreidegrund
unter reichlicher Anwendung
von Glanzgold inTemperafarbe
ausgeführt und fast politurartig
glatt. Das Untergewand war
von hochroter Farbe; das grün-
lichblaue Obergewand war mit
einem zierlichen goldenenStreu-
müsterchen — irre ich nicht,
Rosettchen — geschmückt.
Leider entfernte der Maler,
dem ich die Statuette zur
Restauration übergab, den
ursprünglichen Kreidegrund.
Dabei ergab sich, daß das Bild
ziemlich unfertig aus der Hand
des Schnitzers hervorgegangen
war und erst nach Auftragen
der Kreide seine letzte Voll-
endung erhalten hatte. Darum
wurde denn auch durch den
neuen Kreideüberzug der Charakter der Gesichts-
züge Marias und des Jesuskindes einigermaßen
entstellt. Die Köpfe waren ursprünglich ent-
schieden edler und zugleich charakteristischer
als sie es durch die Restauration wurden. Eine
Frucht dieser Restauration ist auch die jetzige
Stillosigkeit der Kronen. Vorher hatten die
einzelnen Zacken die Form derber dreilappiger
Blätter, wie die Krone des Jesuskindes noch
einigermaßen erkennen läßt. Gestehen muß
ich aber, daß diese Änderung der Kronen auf
meine eigene Rechnung fällt.

Das Bild befindet sich gegenwärtig wieder
im katholischen Krankenhaus zu Wipperfürth.
Daß sie wirklich eine Kopie der Werler
 
Annotationen