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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Graus, Johann: St. Ambed, Vilbed, Gwerbed zu Meransen in Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0106

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151

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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Grabesruhe behauptet. Das Münster zu Worms
besitzt in seinen Räumen (Anna - Kapelle)
ihren Gedenkstein, der erstlich in der zer-
störten uralten Kirche des ehemaligen Berg-
Klosters war. Als Grabstein, wie er bezeichnet
wird, ihn zu nehmen, geht nicht gut an; seine
Form berechtigt nicht hierzu. Von diesem Werke
ist in den „Kunstdenkmälern des Großherzog-
tums Hessen" Kreis Worms S. 193 eine Abbildung
gegeben, welches es als gotisches Steinrelief des
ersten Drittels vom XV. Säkulum erkennen läßt.
Unter einer Krönung von drei geschweiften
Spitzbogen stehen die drei Jungfrauen, Kronen
auf den Häuptern, Buch und Palmenzweige in
den Händen; Nimben bezeichnen sie als Heilige,
und ihre Namen: S. Embede, s. Warbede,
s. Wilbede, in gotischen Mimuskeln über und
unter dem Bildfelde, erklären die Darstellung
vollkommen. „Die Fama des Jahrhunderts be-
richtet, daß dieses Monument den 3 Töchtern
eines burgundischen Frankenkönigs
geweiht gewesen, die in die Hände der grau-
samen Hunnen gefallen und wegen ihres un-
erschütterlichen Glaubens an den Erlöser zu
Tode gemartert worden wären." (Panzer IS. 206.)
Nun erübrigt uns noch Straßburg vorzu-
nehmen mit seinem Ansprüche, dieser hl. Jung-
frauen rechte Stätte zu sein. Professor F. F.
Leitschuh hat im betreffenden Bändchen von
Seemanns „Berühmten Kunststätten" No. 18
das große Publikum neuerdings aufmerksam
gemacht auf diese Straßburger Merkwürdigkeit
in der ältesten hiesiger Kirchen, in Alt S. Peter.
Mit der Untersuchung dieser Angelegenheit
haben sich schon die Verfasser der berühmten
Bollandisten-ActaSanctorum befaßt und bringen
ihre Forschungen hierüber im V. Septemberband
S. 315 zum 16. desselben Monats. Recht be-
zeichnend ist's, was vorausbemerkt wird, daß in
vielen der ältesten Martyrologien von der hl.
Jungfrau Eimbetta allein die Rede ist für das
„territorium Argentoratense", wofür als wahr-
scheinlicher Grund die Auf bewahrung der
Reliquien Einbettas bei den Karthäusern in
Molsheim angeführt wird. Hermann Crombach,
der 1647 die Ursulalegende behandelte, bringt
auch über diese drei Mitglieder der Ursula-
schar eine Legende, daß sie auf dem Rückwege
der Heiligen von Rom in Straßburg zurück-
gelassen worden seien, um eine Kollegin, welche
am Fieber erkrankt war, die hl. Aurelia, zu
pflegen. Auch nach dem Tode der hl. Aurelia
seien sie hier verblieben und verstorben. Die

Verehrung, welche sie erfuhren, hat besonders
veranlaßt die Auffindung ihrer Reliquien 1460
zum erstenmal und wieder 1646 durch den
damaligen Dekan der Kirche Bischof Gabriel
Haug. Erst ruhten ihre Leiber in einer 1489
durch den Chorherrn Heinrich von Kirchberg
errichteten besonderen Kapelle; Dekan Ludwig
Geiger übertrug 1752 die Reliquien zum Hoch-
altare des Kirchenteiles, welcher dem katholischen
Kultus zugestanden blieb. Wie dieser Kirchen-
vorsteher es beurkundete, sind diese Überreste
der hl. Jungfrauen jetzt geborgen „in cista
quercea inclusa, triplici sera clausa, in medio
summi altaris prope sepulchrum altaris."

Die volkstümliche freundliche Ursulalegende,
welche so vielen gemütsvollen Kunstwerken
des Mittelalters das Dasein verschafft hat, brachte
auch für diese vereinzelten Mitglieder der ver-
ehrten Jungfrauenschar manch hübsche Kunst-
blüte zum Aufsprossen an entlegener und
unvermuteter Stelle.

Graz. Johann Graus.

Nachschrift. Die Vermittlung der verehr-
lichen Redaktion dieser Blätter veischaffte meiner
Arbeit einen Beitrag aus der Feder des Herrn Pro-
fessors D r. Klinkenberg, den ich gleich hier an-
zuschließen mir erlaube als eine von den obigen
Ausfuhrungen einigermaßen abweichende Anschau-
ung über die Entstehung der volkstümlichen Jung-
frauenlegende.

Die unter dem gemeinsamen Namen der hl. Jung-
frauen oder Schwestern, den besonder n Namen Ein-
betta, Warbetta und Wilbetta, auch Fides, Spes und
Caritas, in Franken, Bayern, Tirol, im Elsaß und am
Rhein verehrten drei hl. Jungfrauen geben sich deut-
lich als die in den christlichen Anschauungskreis ver-
pflanzten drei keltisch-römischen Matres oder Matro-
nae zu erkennen, mit denen sich bereits in spät-
römischer Zeit die drei deutschen Schicksalsschwestern
(Nornen) vermischt haben. In seiner Dekreten-
sammlung wirft Bischof Burkhard von Worms (t 1024)
— derjenigen Stadt, welche in der Verehrung der
genannten Heiligen eine Hauptrolle spielt — u a.
die Bußfrage auf: ,.Hast du es so gemacht, wie es
in gewissen Zeiten des Jahres Frauen zu machen
pflegen, daß du in deinem Hause einen Tisch deck-
test und Speise und Trank nebst drei Messern auf
denselben stelltest, damit, wenn jene drei Schwestern
kommen, die die Vorzeit und die alte Torheit Parzen
genannt hat, an demselben sich erquicken könnten,
und hast du dem gütigen Gott seine Macht und seinen
Namen genommen und ihn dem Teufel übergeben,
so zwar, daß du glaubtest, jene Schwestern könnten
dir jetzt oder in Zukunft Nutzen bringen?" (Decreta,
Coloniae 1548. p. 198d; vergl. Grimm-Meyer, Deut-
sche Mythologie III4, S. 409). unweit Worms, in
Wies-Oppenheim fand sich 1883 eine Weihinschrift
an die Parzen, Gottheiten, die mit den keltischen
Matronen in engster Beziehung stehen, ja auf einer
Inschrift in Carlisle in England geradezu als Matres


 
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