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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Schulz, Fritz Traugott: Von der historischen Ausstellung in Nürnberg, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0125

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1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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ist hier in das stille Glück einer Mutter aus
den wohlhabenderen Schichten des Volkes
umgewandelt. Als Entstehungszeit ist das
Ende des XV. Jahrh. zu nennen. Kurz er-
wähnen wir auch die kleine würdevolle Ma-
donna aus dem Besitz des Herrn Lockner
inWürzburg und die nach links hin schrei-
tende Maria aus der Gruppe der Heim-
suchung in der Jako bskirche in Nürn-
berg, deren Untergewandung in vornehmem
Schwung herabflutet. Beide sind um 1500
entstanden. — Daß die Stadt Nürnberg darnach
Verlangen trug, auch selbst mit einem ihrer
hervorragendsten Besitzstücke auf der von ihr
veranstalteten Ausstellung zu prunken, wird
jeder begreiflich finden. So hat die be-
rühmte Nürnberger Madonna an einem
bevorzugten Platze, in der Mitte des kirch-
lichen Hauptraumes,Aufste!lunggefunden. Sonst
steht sie in den Sammlungen des Germanischen
Museums. Ich darf es mir versagen, auf
diese ja jedermann bekannte herrliche Statue
des Weiteren einzugehen. Nur auf zweierlei
hinzuweisen möchte ich nicht versäumen. Eine
Untersuchung ergab, daß sich unter dem ein-
tönigen grauen Überanstrich noch eine vier-
fache Polychromie birgt. Die Statue hat darum
wohl nicht als Gußmodell gedient, sondern ehe-
dem zu einer Kreuzigungsgruppe gehört, deren
übrige Figuren eben nicht auf uns gekommen
sind. Ferner deuten die ungleichen Proportionen
des Ober- und Unterkörpers darauf hin, daß
diese Kreuzigungsgruppe ursprünglich sehr hoch
gestanden haben muß; denn alles spricht da-
für, daß die Figur auf Untenansicht berechnet ist.
Die von Stephan Godl zu Anfang des XVI.
Jahrh. gegossene Madonna aus der Sebaldus-
kirche in Nürnberg zeichnet sich weniger
durch Natürlichkeit als durch die Pracht der Ge-
wandung aus. Von den übrigen einzelnen Fi-
guren beschränke ich mich darauf zu nennen:
die heil. Margaretha aus der Kirche in
Kalbensteinberg (2. Hälfte XV.Jahrh.), den
St.VeitausOttensoos (Ende XV. Jahrh.) und
die ehedem als Reliquiarien dienenden Halb-
figuren des St. Florian und des St. Georg aus
der Sammlung Dr. Berolzheimer in München.
Zum Schluß noch einige Worte über die auf
der Ausstellung vorhandenen Gruppen! Lehr-
reich ist die Gegenüberstellung zweier Pieten,
die um mehr als ein Jahrhundert auseinander-
liegen. Die eine stammt aus der Leonhards-
kirche in Nürnberg (Anfang XVI. Jahrh.),

ist in Terrakotta hergestellt und gehört dem
Anfang des XV. Jahrh. an. Die andere wurde
aus der Kirche in Heilsbronn hergeholt,
ist in Holz gearbeitet und gehört der 1. Hälfte
des XVI. Jahrh. an. Da es sich um ein und
denselben Stoff handelt, kann man sich im
kleinen ein Bild machen, wie sich Geschmack,
Auffassung, künstlerisches Vermögen und Dar-
stellungsweise im Laufe der Zeiten verändert.
Die Himmelfahrt Maria aus der oberen
Pfarre in Bamberg aus dem Ende des
XV. Jahrh. behandelt einen der deutschen
Plastik sonst weniger geläufigen Stoff. (Abb. 4.)
Die Gruppe ist 1,70 m hoch, 1,80 m breit
und in 3/4 Vollplastik geschnitzt. Maria schwebt
über dem geöffneten Sarkophag, der von den
staunenden Aposteln umgeben ist. Die Dar-
stellung der mannigfachen Grade der Ver-
wunderung bei den in verschiedenster Weise
charakterisierten Aposteln verdient unsere
ganze Anerkennung. Oben in kräftig ge-
zeichnetem Gewölk Christus, begleitet von
singenden Engeln, die Krone über dem Haupt
der Gottesmutter haltend. Es wogt in diesem
Relief nur so von stürmischer Bewegung. Die
kleine Relieftafel der 14 Nothelfer aus
der Sammlung Clemens in München hat
augenscheinlich ehedem als Prädella zu einem
Hausaltärchen gedient. Sie ist um 1500 ent-
standen. Wenig oder gar nicht beachtet war
bisher, obwohl in einer größeren Kirche
stehend, das Martyrium des heil. Sebastian
aus der Lorenzkirche in Nürnberg. Und
doch ist diese aus drei vollrund geschnitzten
Figuren bestehende Gruppe wegen des derben
Realismus der beiden Schergen in jeder Hin-
sicht bezeichnend für ihre Zeit, d. h. für den
Anfang des XVI. Jahrh. Die heil. Anna
selbdritt aus St.Jakob in Nürnberg ist
schon durch Daun als Arbeit des Veit Stoß
festgestellt worden. Nur ergab sich bei der
Herausnahme aus dem Altar, in dessen Mittel-
schrein sie stand, daß auf der Unteransicht
der Gruppe ein menschliches Antlitz in wolken-
artiger Umrahmung angearbeitet ist, woraus
zu schließen ist, daß sie früher für sich frei
gehangen hat. Das reliefierte Martyrium
des Evangelisten Johannes aus der
Sammlung Clemens in München trägt in
allem die Merkmale des Stiles des Stanislaus
Stoß, so daß man berechtigt ist, es als eine
Arbeit desselben zu betrachten. (Forts, folgt.)
Nürnberg. Fritz Traugott Schulz.
 
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