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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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253

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

254

Festung, das Bauernhaus, die Stadt, das Bürger-
haus, das Schloß) alles Architektonische zwanglos
unter, der II. Band in seinen neun Kapiteln
das ganze Ergänzungs- und Ausstattungs-
Material (Öffentliche Schmuckanlagen, das Zimmer,
die Wandmalerei, der Hausrat, Geräte und Gefälie,
Tracht und Schmuck, Wagen, Inschriften, der Bilder-
kreis). Diese Disposition ist folgerichtig und klar,
so daß sich ihr alles leicht eingliedert, wenn auch
einzelnes schon im I. Band, z. B. bei den Innen-
einrichtungen erwähnt wird, was erst im II. Band
ausführlichere Darlegung erfährt (wie Glasmalerei,
die doch schon mit dem XIV. Jahrh. in die bürger-
lichen Räume Eingang findet, daher mit der Wand-
malerei behandelt werden könnte). Wenn auch „das
Kloster" in seiner Gesamtanlage, wie in seinen ein-
zelnen Bauteilen vorwiegend zu den kirchlichen Alter-
tümern gehört, so hat es doch auch mit den bürger-
lichen vielfache, zum Teil vorbildliche Berührungs-
punkte. — Ein ganzes Jahrtausend kunstgeschicht-
licher Entwickelung (von 800—1800) zieht hier vor-
über, als glänzendes Zeugnis für die deutsche Kultur,
die namentlich hinsichtlich der Pfalzen, Burgen und
Bürgerhäuser hier im neuen Lichte erscheint, zumal
sehr zahlreiches, gut ausgewähltes, wenn auch selbst-
verständlich zumeist bekanntes Bildwerk das Ver-
ständnis außerordentlich erleichtert. — Der Hinweis
wäre wohl nicht überflüssig auf die Bergwerke,
Hammerwerke, Kelterhäuser, Schmiede- (Beschlag-)
Werkstätten, auf die Grienköpfe, die dem Fabrik-
betrieb der Gegend entnommenen Giebelbekrönungen
in Ton, Glas usw., auf die Fracht- und Luxuswagen,
auf die so charakteristischen Truhen des XIII. (oder
XIV.) Jahrh., auf manche Werkzeuge, auf die älteren
Trinkgläser (Maigelein) usw. — - Der unermüdliche,
unerschöpfliche Verfasser wird weiter sammeln, so
daß es der nächsten Auflage, die bei der ungewöhn-
lichen Zeitgemäßheit und Vortrefflichkeit (dazu Wohl-
feilheit) des Buches sehr bald sich herausstellen
wird, an Ergänzungen sicher nicht fehlt. Proficiat!

Schnütgen.

Les Verrieres de l'ancienne eglise Saint
Etienne ä Mul house. Par Jules Lutz. (Avec
0 planches en phototypie). Supplement au Bulletin
du Musee historique de Mulhouse,' tome XXIX.
Kom.-Verl. von Carl Beck in Leipzig. (Pr. 3 Mk.)
Den hochbedeutsamen Glasfenstern des XIV.Jahrh.,
die der alten St. Stephanskirche zu Mülhausen (Elsaß)
bei ihrem Abbruch 1858 entnommen, vor kurzem
der neuerbauten Kirche desselben Namens eingefügt
wurden, ist diese Monographie gewidmet, die
sich mit deren Beschreibung beschäftigt, mit den
Quellen, denen ihre Darstellungen entstammen, mit
ihrer Geschichte, den früheren Forschungen über die-
selben, endlich mit dem Versuche ihrer Rekonstruie-
rung. — Um 10 Fenster handelt es sich, aufweiche
sich die beiden Zyklen der christlichen Lehre
(die prophetischen Weissagungen und Ankunft des
Heilandes, sein Leiden und Tod, seine Auferstehung
und ewiges Leben), und des christlichen Lebens
(Werke der Barmherzigkeit, Kampf der Tugenden
und Laster) verteilen, leider nicht in der ursprüng-
lichen Anordnung, da bei der jüngsten Herstellung und
Aufstellung die Archäologie nicht ganz ihre Rechnung

fand. Typus und Antitypus, also Erfüllung und
Vorbild, beherrschen den ersten Zyklus, wie so
manche Fenster des XIII. und XIV. Jahrh. (zwei im
Kölner Dom), und der Verfasser forscht nach deren
Quellen. Er beschäftigt sich eingehend mit der so-
genannten Bihlia pauperum und dem Spfculum
humanae salvationis, deren ganzer Bilderkreis hier
vorgeführt wird, und kommt zu dem Ergebnis, daß
das Speculum ausschließlich als Vorlage gedient hat,
und demnach die Biblia pauperum gar nicht in
Betracht kommt, während für den zweiten Zyklus
die Psychomachie des Prudentius den Ausgangspunkt
geboten hat. — Daß jene sieben Fenster um 1350
entstanden sind, die drei letzteren ein bis anderthalb
Jahrzehnt später, wird vom Verfasser sehr wahrschein-
lich gemacht. — Was verschiedene Gelehrte, die
Gelegenheit hatten, die (herausgenommenen) Glas-
gemälde früher zu sehen, über dieselben urteilten,
ist nicht ohne Wert, obgleich bei der Erklärung der
einzelnen Scheiben Entgleisungen unvermeidlich waren,
da man die richtige Quelle nicht entdeckt hatte und
den Zusammenhang nicht erkannte. — Auf Grund
der vollen Einsicht in denselben, in die Mißverständ-
nisse, die durch ältere Restaurationen, durch Verluste,
durch Verwechselungen bei der letzten Herstellung
verursacht sind, versucht der Verfasser die Re-
konstruierung des ganzen Werkes, welches, durch
Tafeln und Inschriften vorgestellt, als ein Bilder-
schatz allerersten Ranges erscheint, von eminenter
ikonographischer Bedeutung. Wie enge die Dar-
stellungen des ersten Zyklus an die Miniaturen einer
in der Münchener Hofbibliothek aufbewahrten Hand-
schrift des Speculum sich anschließen, zeigen die
sechs Lichtdrucktafeln, die je vier Fensterscheiben
an der Seite ihrer Vorbilder zeigen, dabei noch
besonderes Interesse wecken durch die äußerst
geschickte Übertragung der letzteren in die musivische
Technik mit ihren Bleinetzen wie in die Fenster-
ornamentik mit ihren Maßwerksträngen und ihren
Bortensi reifen. Der alte Glasmaler übertraf an künst-
lerischem Feinsinn den Miniaturisten, den nachzu-
ahmen er kein Bedenken trug. Schnütgen.

Germanische Frühkunst. Von Prof. Mohr-
mann und Dr. Ing. Eichwede. — Chr. Herrn.
Tauchwitz, Leipzig. Lief. VII bis IX ä 6 Mk.
Dieses vortreffliche Werk, das hier (Bd XVIII,
Sp. 122 und 279) eingehend besprochen wurde, hat
inzwischen zu den die I. Abteilung bildenden 60
Tafeln die Erläuterung erhalten, welche die, ob-
gleich durchaus klaren, Zeichnungen namentlich in
technischer Hinsicht und für Verwendungszwecke ver-
ständlicher macht, auch trotz ihrer Knappheit zahl-
reiche nützliche Winke gibt. Von der II. Abteilung,
die ebenfalls 6 Hefte (ä 10 Tafeln) umfassen soll,
liegt die Hälfte vor; sie holt verschiedenes nach,
was in der ersten Abteilung in den Hintergrund trat,
wie Arkaturen, Grabsteine, Türbeschläge, Goldaltar
(d. h. Altar aus vergoldetem Messing). — Die reiche
Phantasie, das entwickelte, überall dem Material sich
unterordnende Formgefühl, das auch die Verzierungen
den Gliederungen aufs geschickteste anzupassen ver-
mag, kommen hier wiederum in bewundernswerter
Weise zur Geltung, so daß eine Fülle urkräftiger
 
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