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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Oidtmann, Heinrich: Über die Instandsetzung alter Glasmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0174

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259

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

260

In der mittleren Langbahn Teppich aus blau-
gelben, in den seitlichen aus rot-grünen über Eck
gestellten Quadern mit stilisiertem Blattmuster. Ge-
wöhnlich pflegen in Deutschland die Bilder aus dem
neuen Bunde von frei bewegtem, lebendigem Laub-
gewinde umrankt zu sein, während die Vorgänge aus
dem alten Testament auf Flächenmustern von stilisier-
tem, gewissermassen abgestorbenem Blattwerk ruhen,
möglicherweise eine sinnbildliche Anspielung auf den
Sieg des neuen Bundes über den alten. Auf dem
zweifarbigem Teppich liegen durch eingeschobene
Kreisbogen verlängerte Sechspässe, deren schlichte,
weiße Bandeinfassung in ihrem inneren Teil schattiert,
sonst aber unbemustert ist. Der glatte Hintergrund
der mittleren Medaillons ist rot, in den äuUeren blau.

Von Farbengläsern waren Blau, Rotviolett und
Grün in je drei, Gelb, Rot und Fleischfarbe in je
zwei Abstufungen vertreten, Blauviolett und Weiß
nur in einem Ton. Wie bereits erwähnt, konnte bei
dem schrecklichen Zustand des Fensters von Farben-
wirkung keine Rede sein; es bildete geradezu eine
Unzier für die Kirche. Von irgendwelcher Zeichnung
war natürlich kaum ein Zug zu erkennen.

Das alte Blei netz, an sich zwar ziemlich
gut, war in seinem Gefüge gänzlich gelockert;
die Glasstücke hingen noch eben in den
Nuten, so daß eine Neufassung nicht zu ver-
meiden war. In den gegossenen Stäben,
deren glatter Kern infolge undichten Gusses2)
äußerst dünn, stellenweise durchlöchert war,
fanden sich Spuren einstiger Verkittung. Das
Bleigerippe war nur an den Kreuzungsstellen
mit Zinn verlötet, hier aber erst recht stark
angefressen. Die Breite der Bleie betrug 5,
die Höhe des Steges 6 mm; auf den schmalen
dicken Flügeln lief ein feiner Grat. Als Rand-
bleie sowie als innere Fassung der Medaillon-
umrahmung dienten zwei aneinander gelötete
Sprossen mit eingelegtemHolzstäbchen(Weiden-
ruten), wie ich solche an den romanischen
und gotischen Tafeln von Nassau (Zeitschrift
für christl. Kunst, X. Jahrg., Sp. 275 u. f.),
an den romanischen Glasgemälden von Hei-
mersheim an der Ahr und an dem spätromani-
schen, weniger bekannten Teppichfenster zu
Lindena gefunden habe.

Die Glasdicke war verschieden, Rot und
Grün 4, Blau und Weiß 3 mm stark. Be-
merkenswert ist die Herstellung des Fleisch-
tones, meist Lila-Überfang, teilweise, so am
Kopf des h. Joseph bei der Geburt, ein-

*) Die Lüneburger Rolle von 1497 schrieb den
Glasern vor, das Blei dicht zu gießen. In den
Baurechnungen des ehemaligen Dominikanerklosters
zu Breslau ist zum Jahre 1487 ein Betrag über die
Instandsetzung eines Bleizuges zum Bleiziehen in
Rechnung gestellt; dies ist die älteste, bisher be-
kannte Erwähnung der Bleimühle.

gefangen wie an dem Köpfchen der h. Maria
zu Kreuzau. Bei der Taufe Christi fanden
sich nackte Teile, welche, mit einer Lila-Haut
überfangen, obendrein eine eingefangene
Farbenschicht enthielten. Überall zeigten sich
die muscheligen, von der scharfkantigen Spreng-
linie nach unten abgeschrägten Ränder der
Kröselung.3) Die Quadern des Teppichs
waren ungleich und unwinkelig, also nicht
nach einer Schablone gesprengt. Bei einzelnen
Stücken konnte man höchst kunstvollen Aus-
schnitt beobachten, z. B. bei einem blauen
Mariengewand, ferner bei dem Schwerter-
wappen, wo die rote Lilie am Schildeshaupt
gänzlich ausgekröselt war; das zum Rande
laufende Notblei verdeckt einen späteren
glattrandigen Sprung. Die Quadern an den
Ecken zeigen gleichfalls rechteckige Einschnitte.

Mal weise: Das Schwarzlot4) ist bald
deckend, bald durchscheinend aufgetragen,
die Schatten in Lavierung. Geschickt ist der
Bart des h. Joseph bei der Geburt behandelt,
wolkig gewischt. Überhaupt kann man die
Arbeit mehrerer Hände unterscheiden. Über-
zug ist nicht vorhanden, ebensowenig Silber-
gelb. Einige Konturen hatten unter der Ein-
wirkung der Jahrhunderte gelitten, andere
standen so fest, daß sie über der teilweise
geschwundenen Glasfläche hervorragten.0)

Auf zahlreichen Fleischteilen und einzelnen
Gewandstücken sah man ein nachlässig auf-
gestrichenes Kreuz, welches blank und erhaben
inmitten der ringsherum angegriffenen Fläche

3) Das Kröseleisen wird schon um 1400 von den
Italienern wegen der Ähnlichkeit des Kröselns mit
dem Nagen sehr bezeichnend ,,topo" = Ratte, Maus
genannt.

4) Lot = Schmelze = Schmelzfarbe; schwarze
Schmelzfarbe = Schwarzlot. In der Verbindung
Silbirloth (für Silbergelb) begegnet uns dieser Begriff
in der ersten Hälfte des XV. Jahrh. bei dem
Augustiner-Chorherrn von Sagan. Die Handschrift
aus Maria Laach vom Jahre 1565 nennt die schwarze
Farbe Punktur und fügt hinzu, „die Oberländer
nennen es Loit." Bei dem Nürnberger Glasmaler
Kunckels wird die Bezeichnung Schwarzlot geläufig ;
da Kunckels Bmh bei der Wiederbelebung unserer
Kunst einen gewissen Ruf hatte, ist das Wort Schwarz-
lot durch Sprachgebrauch zum feststehenden Begriff
geworden. '

6) Eine auffallende Erscheinung konnte ich an
den Glasgemälden von Heimersheim beobachten.
Den Hauptteil der Bordüren bildete ein weißes,
blankes Blatt ohne jedwede Zeichnung; bei dem Ver-
such, ein zerbrochenes Stück zu brennen, trat das ver-
schwundene Blattmuster klar zutage, sodaß die Wieder-
herstellung getreu bewerkstelligt werden konnte.
 
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