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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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285

1906.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

286

Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben.
9. Band. Schwind. Des Meisters Werke in
126!) Abbildungen. Herausgegeben von Otto
Weigmann. Stuttgart. Deutsche Verlags-Anstalt.
Preis geb Mk. 15.—•
Daß die Aufnahme der Maler des XIX. Jahrh.

in die Klassiker der Kunst" mit Moritz von Schwind

Die liturgischen Bücher, die ältesten und wich-
tigsten Denkmäler der Schrift und Malerei (in ge-
wissem Sinn auch der Goldschmiedekunst), sind bisher
in ihrem Zusammenhange noch nicht behandelt worden.
Es bedarf dazu einer unsäglichen Menge von sehr
mühsamen Detailuntersuchungen, natürlich der zahl-
losen, weithin verstreuten Originale. Über eine solche
verfügt, dank einer durch zwei Jahrzehnte unermüd-
lich fortgeführten Prüfung und Registrierung, der
Verfasser, der durch manche Spezialschriften, auch
in dieser Zeitschrift, längst seine bezügliche Quali-
fikation nachgewiesen hat. Jetzt faßt er diese seine
Forschungen in einer sehr knapp formulierten Schrift
zusammen, die sich auf die Evangelienbücher
bis zur Mitte des XI. Jahrh. beschränkt (der bald
eine weitere über die Perikopen als wichtige Er-
gänzung folgen soll). — Nach einer Einleitung über
die „Ehrung der Evangelienbücher bei Feier der
Konzilien und im Leben der alten Christen" wird
das tausendfach verzweigte Thema, durch 91 zum
Teil noch nicht veröffentlichte Schriftproben, Zier-
titel und Bilder erläutert, in 15 Kapiteln abge-
handelt, von denen die ersten sechs sich vornehmlich
mit den griechischen und syrischen Evangeliarien
beschäftigen, denen die lateinischen Evangelienbücher
Italiens, die angelsächischen und irischen, wie die
der Franken und Westgoten folgen; sie erreichen
ihren Höhepunkt in der „karolingischen Renaissance
und deren Prachthandschriften*', deren Nachklang die
,,Evangeliare aus Tours und Nordfrankreich''. Was
durch die „höfische Kunst des X. und XI Jahrh. in
Deutschland", was außerdem in dessen Norden und
Süden bis ins XII. Jahrh. entstand, beschreiben die beiden
folgenden Kapitel, um dem XV. Kapitel die Ein-
bände als einen, nicht nur künstlerisch, überaus wich-
tigen Exkurs zu überlassen. — Die „Wertschätzung
der Evangelienbücher" erscheint als feierlicher Epilog,
dem als Anhänge die „Vorreden" und „Kapitel-
einteilungen" der Evangelien, die „Lebensskizzen der
Evangelisten" und namentlich die „in Evangelien
dargestellten Szenen" sich anschließen, zuletzt das
ungemein brauchbare „Verzeichnis der Handschritten",
wie das Person- und Sachregister. — Wer je mit
einer liturgischen Handschrift auch nur oberflächlich
sich beschäftigte, hat die dringende Notwendigkeit
eines Führers empfunden, der bis jetzt fehlte; wer
in den soeben gebotenen einen Blick wirft, erkennt
das Übermaß der Arbeit, aus dem er herausgewachsen
ist, als das Ergebnis vielfältiger Reisen, tausend-
fältiger Notizen und Vergleiche, die der Zusammen-
stellung in der Klosterzelle bedurften. Jetzt liegt sie |
vor als ein zuverlässiges Fundament für die Ikono-
graphie und Miniaturmalerei des Orients und Occi-
dents, deren Zusammenhang hier wesentlich geklärt
ist. — Gratias maximas! und Vivat sequens! lautet
unsere Schlußparole. Schnütgen.

beginnt, hat seinen guten Grund: Als der poesie-
reichste und gemütvollste, dazu fruchtbarste und
mannigfaltigste Schilderer deutschen Lebens in Ge-
schichte und Sage, in Handel und Wandel hat er
eine Popularität erlangt, die im Zusammenhange mit
der Feier seines hundertsten Geburtstags (21. Januar
1904) wieder überwältigend in die Erscheinung trat.
Da er erst am 8. Februar 1871 starb, so hat bis an
die Schwelle vom Umschwung auf diesem Gebiete
seine Darstellungsart herangereicht. Obwohl auch
diese von den schüchternen Versuchen des Jünglings
bis zu den ausgereiften Schöpfungen des Greises
nicht ohne Wandlungen geblieben ist, so ist das
Gesamtbild doch durchaus harmonisch. Deswegen
ist auch eine Wiedergabe seiner sämtlichen Bilder
überaus willkommen: der Wand- und Tafelgemälde,
der Zeichnungen und Skizzen bezw. der Kartons. Jetzt
waren dieselben hinsichtlich ihrer Verbreitungszonen
noch zu überschauen, jetzt auch noch mancherlei
Notizen zu gewinnen bezüglich der Ursprungszeit,
die, bei der mangelhaften Geschäftlichkeit mancher
Künstler, oft schnell ins Unbestimmte, Unbestimmbare
sich verliert. Und gerade der Einblick in den Ent-
wicklungsgang der meisten Künstler liefert denSchlüssel
für die Beurteilung ihrer Eigenart und ihres Wertes.
— Lückenlos ist hier das Entwicklungsbild geboten
und als solches zumeist auch durch die Datierungen
belegt. Obgleich jede Tafel eine erklärende Unter,
schrift (in 3 Sprachen) trägt, so wecken doch manche
derselben wegen ihrer märchenhaften, oder eigenartig
veranlaßten Darstellungen, das Bedürfnis nach Er-
läuterungen, die als 30 Seiten starker Anhang
sehr willkommen sind. Sie sind von Dr. Otto Weig-
mann verfaßt, dem auch die mit Sachkenntnis und
Wärme geschriebene illustrierte Einleitung zu danken
ist. — Schwind hat eine Fruchtbarkeit fast ohnc-
Gleichen betätigt auf dem religiösen wie auf dem
profanen Gebiet, und auch auf letzterem ist alles
dezent, trotz der Lebensfrische, so daß der Bilder-
schatz dieses deutschen Meisters in allen Kreisen herz-
liche Aufnahme verdient.

Die Klassiker der Kunst in Gesamt-Aus-
gaben (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt) haben
bekanntlich auch eine Lieferungsausgabe. Von
den 70 Heften, welche deien I. Serie (Raffael, Rem-
brandt, Tizian, Dürer, Rubens) bilden sollen, sind
vor kurzem 47—52 erschienen, die von den bis 15G0
durch Tizian ausgeführten Gemälden gute Abbil-
dungen bieten. Da dieselben, chronologisch geordnet,
nicht nur die bekannten, sondern auch die minder
zugänglichen Werke des Malerfürsten wiedergeben,
so läßt sich an ihnen die Entwickelung des glänzen-
den Koloristen leicht verfolgen, dessen Lebensbild
in der umfänglichen, mit zahlreichen Illustrationen
versehenen biographischen Einleitung von Oscar
Fischel gegeben wird. — Da neben der pointierten
Charakterisierung des Meisters eine geistvolle Be-
schreibung seiner einzelnen Schöpfungen hergeht mit
allerlei lehrreichen Bemerkungen, so erscheint die
Einleitung als ein vortrefflicher Kommentar zu dem
Bilderschatz. S.
 
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