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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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381

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

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wenigen Kunstforschern kultivierte Gebiet betreffenden
reichen Erfahrungen eines langen Lebens niedergelegt
werden als die Quellen vieler neuen Aufschlüsse, als
die Grundlage einer zuverlässigen Geschichte der
Textilkunst. Schnütgen.

Kunstdenkmäler derSchweiz. N. F. V u VI.
— Das Kloster St. Johann zu Münster in
Graubünden von Joseph Zemp unter Mit-
wirkung von Robert Durrer. Atar, A.-G. in Genf, 11)06.
Diese Studie, die 38 Großfolioseiten Text mit
33 Illustrationen und 10 Lichtdrucktafeln, von denen
2 farbig, umfaßt, ist von größter Bedeutung wegen
des Schatzes, den sie ans Tageslicht zieht, wie wegen
der gründlichen Beschreibung, die sie ihm widmet.
Es handelt sich um das jetzt noch bestehende festungs-
artige, an der Ostmark des Schweizerlandes gelegene
Nonnenkloster, das als Monasterium Tuberis in die
karolingische Periode zurückreicht, nicht nur als Bau-
werk, nicht nur mit seinen Marmorskulpturen, sondern
sogar mit seinen Wandgemälden. — In die Beschreibung
teilen sich Zemp, der den archäologischen Löwen-
anteil musterhaft besorgt hat, ohne neue Ausgrabungen
und Bloßlegungen, und Durrer, der die geschicht-
lichen Vor- und Hülfsarbeiten übernahm. — Die
Einführung gilt dem verhältnismäßig einfachen
Kloster, dessen Geschichte geprüft wird mit dem
Ergebnis, daß das Munster vor 805 entstand. Bis
in diese Ursprungszeit führt Zemp die Marmor-
reliefs mit derlongobardischen Ornamentation zurUck,
um sich dann an der Hand zahlreicher Zeichnungen
den karolingisch en B au t e n zu widmen: derein-
schiffigen Kirche mit den drei Apsiden in Hufeisen-
form, mit ihren Blendarkaden (deren Analogien in
anderen schweizer Kirchen nachgewiesen werden),
mit ihren eigentümlichen Fenstertypen (die an die
Reichenau erinnern), mit ihrem System der farbigen
Außendekoration. — Noch größere Bedeutung kommt
den Wandgemälden zu, die, obgleich nur zum
Teil erkennbar, reichlich und vortrefflich, zum Teil
in Farben wiedergegeben sind, nebst den über den
spätgotischen Gewölben (wie in St. Aposteln und
St. Georg zu Köln) erhaltenen Resten. Da mehr-
fache Über tünchungen der, dem Anscheine nach wohl
hundert, Darstellungen stattgefunden haben, so wird
die Entzifferung sämtlicher Zyklen so bald nicht mög-
lich sein. Die bis jetzt einigermaßen erkennbaren
hat Zemp mit Aufbietung großer Mühe und Kombi-
nation ergründet und festgestellt, daß auf der Nord-
und Westwand Szenen aus dem Leben Davids und
Absaloms dargestellt sind. Letztere, auch ikonogra-
phisch merkwürdigen Gruppen werden als die relativ
besser konservierten genau erklärt. — Um die sich
aufdrängende Frage nach der Heimat und Zeit zu
lösen, zieht der Verfasser die Ornamente von Maria
Antiqua, die Figuren des Aachener Münsters, der
Reichenau usw. als Vergleichsobjekte heran mit dem
Resultat, daß er in Oberitalien die Vorbilder sucht
für die Ausführung im Beginne des IX. Jahrh. —
Die neugewonnene, vortrefflich eingeführte Denkmäler-
gruppe wird noch lange die gerade auf diese Zeit
gerichtete Wissenschaft beschäftigen. Schniitgen.

Die Storia dell' arte italiana von Adolfo
Venturi, Verlag von Hoepli in Mailand, ist seit

un-erem letzten Referat für Bd. XVII, Sp. 281/282 um
den IV. und V. Band (ä 30 Fr.) gewachsen, aber
über das Trecento nicht hinausgediehen. Mit der
Plastik des XIV. Jahrh. beschäftigt sich der IV.,
mit der Malerei derselben Zeit der V. Band. Die
970 Seiten des IV. Bandes sind mit 802, die 1093
Seiten des V. Bandes mit 818 Abbildungen ge-
schmückt, von denen manche eine ganze Seite füllen,
so daß hier hinsichtlich der Illustration etwas ganz
Ungewöhnliches geboten ist. Von ihr ist verhältnis-
mäßig Weniges im IV., nicht unerheblich mehr im
V. Band dem Auslande entnommen ; Photographien und
Reproduktion durchweg gut, durch die Aufnahme
zahlreicher Details das Studium erleichtert. —
Daß durch diese Fülle des Illustrationsapparates die
Forschung nicht beeinträchtigt ist, möge schon a priori
angedeutet werden durch die Tatsache, daß in jedem
der beiden Bände 300 Künstlernamen erwähnt sind,
eine für diese Frühzeit, auch in Italien, enorme Zahl.
Eine lange Reihe von Einzelfiguren und von Reliefs
in Stein, vornehmlich religiöser Art, wird durch
die 5 ersten Kapitel des IV. Bandes vorgeführt:
Schmuckstücke von Bauwerken oder von Ausstattungs-
denkmälern, wie Baldachine, Altäre, Kanzeln, Epi-
taphien ; ausgehend vom Brunnen in Perugia, dem
St. Dominikusschrein in Bologna, dem Ciborienaltar
in St. Paul zu Rom, der berühmten Bronzerigur (des
Arnolfo di Cambio) in St. Peter zu Rom, der
Kanzel in Pistoja, bis zu den Pilasterreliefs in Orvieto,
am Campanile von Florenz, am Dom zu Bologna, wozu
ein ausgiebiger Text den lehrreichen, manches Neue
bietenden Kommentar liefert. Das VI. (Schluß-)Kapitel
umfaßt eine Auswahl von Holz- und Elfenbeinfiguren,
von Intarsien und Inkrustationen, namentlich aber von
Goldschmiedeerzeugnissen der hervorragendsten Art:
von Bischofsstäben, Kreuzen, Reliquiaren, Altar-
retabeln, unter denen die Prachtexemplare in Orvieto,
Pistoja und Florenz alles andere überragen.

Der V. Band entrollt in 7 Kapiteln das überaus
reiche Bild der italienischen Wand- und Tafelmalerei von
der Mitte des XIII. bis zum Schluß des XIV. Jahrh.,
also von den letzten Ausläufern der romanischen
Epoche in Siena (die namentlich in Kruzifixen,
Retabeln usw. bestehen) und von den ersten Schöp-
fungen Cimabues, wie von den byzantinisierenden
Fresken in Grottaferrata bis zu den Großtaten Giottos
und den Einflüssen, die sie weithin in Toskana, Um-
brien usw. ausübten, zahllosen Künstlern von Bedeu-
tung und Namen die Wege bereitend. An der Hand
der zumeist minder bekannten, vortrefflich wieder-
gegebenen Bilder und ihrer markanten Erklärung
diese in der Kunstgeschichte beispiellose Entwicklung
zu prüfen, ist ungemein lehrreich. — Das VIII. Ka-
pitel bringt außer manchen kostbaren Miniaturen
mehrere interessante Gewebe und einzelne sehr wert-
volle Stickereien, von denen der glänzende früh-
gotische englische Chormantel gewiß gern in den
Kauf genommen wird. — Als in Vorbereitung befindlich
werden bezeichnet für den VI. und VII. Band die
Skulptur und Malerei des Quattrocento, für den VIII.
und IX. die Architektur des Trecento und Quattro-
cento, für den X. die (bisher etwas vernachlässigten)
Kleinkünste des Quattrocento, so daß also dieses
musterhafte Buch allmählich zu einem Sammelwerk
 
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