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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Baum, Julius: Die Anlage von Freudenstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0048

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34 Julius Baum.

ähnliches später bei Scamozzi. Schickhardt ist einfacher und dabei konsequenter als beide.
Seinem Raumgefühl fehlt der barocke Einschlag, den die beiden Italiener bereits be-
sitzen, noch vollständig. Es ist unentwickelt, aber, soweit vorhanden, rein auf dem
Boden der Renaissance erwachsen. Durch die renaissancemäßige Metrik unterscheiden
sich die Freudenstadter Grundrisse auch merklich von den verwandten späteren in Deutsch-
land mit ihrer starken Überordnung einzelner Teile, wie z. B. der Neuanlage von Mann-
heim (1720) mit ihrem die ganze Stadt beherrschenden Schloßbau.

So sehr aber auch der Grundriß dem Wesen der italienischen Renaissance ent-
spricht, so viel deutsche Spätgotik zeigt sich noch im Aufbau, soweit er nicht unmittel-
bar durch den Grundriß bedingt ist, wie in den umlaufenden Arkaden des Platzes.1
Die öffentlichen Gebäude, zumal die Kirche, gehen weder in ihren räumlichen Disposi-
tionen, noch in ihrer formalen Gestaltung über die Kunst des beginnenden 16. Jahr-

Abbildung 5. Ansicht des Marktplatzes von Freudenstadt.

hunderts hinaus.2 Auch die hochgiebligen Bürgerhäuser sind sowohl im Äußeren, wie
in der Raumverteilung durchaus mittelalterlich. Wie weit für die Einzelheiten des Auf-
baues Schickhardt verantwortlich ist, der während der Erbauung Freudenstadts seinen
Sitz zumeist in Mömpelgard hat und die Leitung der Bauarbeiten im Schwarzwald dem
Elias Gunzenhäuser3 überläßt, entzieht sich der genauen Ermittelung. Der Ruhm bleibt
ihm, die erste einheitliche künstlerische Stadtanlage auf deutschem Boden geschaffen
zu haben.

1 Ausgeführt ist der zweite der beiden Entwürfe des Stuttgarter Staatsarchives, abgesehen von dem
Schlofs und der Befestigung. Das Schloß wird niemals erbaut. Die Anlage von Festungswerken, doch
nicht mehr nach den Plänen Schickhardts, sondern dem stärkeren Verteidigungsbedürfnis der späteren Zeit
entsprechend im Sinne eines regulären Achtecks mit acht Bollwerken und vier Toren, erfolgt erst 1661—1674.

2 Nur in dekorativen Einzelheiten, wie den Stuckaturen des Braunschweigers Gerhardt Schmidt an
der Emporenbrüstung, kommt der Stil der Zeit rein zum Ausdruck.

3 Vergl. über ihn Baum, Der Saalbau des Weikersheimer Schlosses, Zeitschrift für Bauwesen 1907.
 
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