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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Dehio, Georg: Zur Geschichte der gotischen Rezeption in Deutschland: die polygonalen Chöre
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Stückelberg, Ernst Alfred: Eine Tauf-Piscina mit zwei Ambonen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0067

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Eine Tauf-Piscina mit zwei Ambonen. 53

unabhängig von allen allgemeineren stilgeschichtlichen Erwägungen, sagt das Gegenteil.
Es befindet sich unter dem Chor in seiner ganzen Ausdehnung eine Krypta. Eine
starke Mauer, noch die römische, scheidet sie in zwei Abschnitte. Sie sind sichtlich
aus verschiedener Zeit. Der vordere (westliche) hat Gurtgewölbe auf niedrigen breiten
Pfeilern; nur das Vorurteil, daß der Chorschluß von Hillin herrühren müsse, konnte
die Meinung sich festsetzen lassen, diese Vorderkrypta sei «frühromanisch»; das
Ornament der Pfeiler paßt auf keine Zeit besser, als auf die Mitte des 12. Jahrhunderts.
Dies also ist Hillins novum opus. Der hintere (östliche) Abschnitt hat hoch und weit
gespannte Gewölbe auf schlanken Bündelsäulen, unverkennbar Architektur des späten
12. Jahrhunderts, zum Weihedatum 1196 aufs beste passend.

Die Zeit der Aufnahme des polygonalen Schlusses und damit des ersten Eindringens
gotischer Konstruktionsgedanken in Trier wäre hierdurch richtiggestellt. Nicht so sicher
läßt sich sagen, von wo die Anregung gekommen ist. Neben der französischen kommt
auch hier wieder die nordburgundische Schule in Frage. Ich halte den zweiten Fall
für den wahrscheinlicheren. Manche Zierformen sind dieselben wie am Simeonschor,
demnach scheint es, daß man die dort angeknüpfte Verbindung festgehalten hat, nur
daß in dieser Zeit, die architekturgeschichtlich eine raschlebende war, ein Abstand
weniger Jahre schon große Fortschritte bedeuten konnte.

Die weiteren Etappen der gotischen Rezeption in Trier sind: die Einwölbung des
Domlanghauses, der Kreuzgang von S. Matthias, die Liebfrauenkirche (letztere nach der
neuesten Forschung nicht 1227, sondern kurz vor 1240 begonnen). Auf sie gehe ich
nicht mehr ein, möchte aber doch bei dieser Gelegenheit die Bemerkung niederlegen,
daß unter den Bauleuten von S. Matthias sicher solche gewesen sind, die ihre Gotik in
Nordburgund erlernt hatten.

Ich schließe mit einer allgemeinen Erwägung. Die Architekturgeschichte konnte
sich früher mit der Ansicht begnügen, daß der gotische Stil nach Deutschland aus
Frankreich gekommen sei, wobei man allein an die nordfranzösische Schule mit dem
Mittelpunkt Paris dachte. Jetzt müssen wir feiner unterscheiden lernen. Die Gotik
Frankreichs ist nicht in einer einzigen Schule entstanden, sondern in mehreren zugleich.
Und nicht eine einzige, sondern mehrere nebeneinander haben auf Deutschland ein-
gewirkt.1 Je schärfer wir das bunte Gewebe unseres «Übergaugsstils» betrachten, um so
mehr neue Fäden kommen zum Vorschein. Die französische Schule hat in der gotischen
Rezeption sicher das letzte Wort gesprochen, das erste Wort nicht.

Eine Tauf-Piscina mit zwei Ambonen.

Von E. A. Stückelberg-Basel.

Frühmittelalterliche Taufbassins sind noch in ziemlich bedeutender Anzahl vor-
handen ; ja in den Ländern romanischer Zunge sind auch noch Taufgebäude in be-
trächtlicher Menge auf uns gekommen.

1 Vergl. meinen Vortrag auf dem historischen Kongreß in Paris 1900, in deutscher Übersetzung Histo-
rische Zeitschrift [v. SybelJ, N. F., Bd. 50).
 
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