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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0311

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Literatur. — Chronik. 295

eines solchen, den Gegenstand nicht immer er- archaischen Kapitell des Artemisions in Ephesos,
schöpfenden Materials bestimmte kunstgeschicht- dessen auffallend schmale Seitenansicht auf den
liehe Urteile auszusprechen, war gewagt. — Die Säulenschaft noch keinen Bezug nimmt. Dem Holz-
Entwicklung der Reihungen von den ägyptischen bau entlehnt ist der Fugenschnitt des Kapitells zu
Blattgehängen zu den griechischen Blattwelleu Neandria und der älteren Stelenkapitelle der Burg
hat Meurer in der vollständigen Kette der Denk- zu Athen; das Kapitell des Erechtheions ist noch von
mäler dargestellt. Aber aus dieser geschichtlichen der geschichtlichen Überlieferung beeinflußt, und
Entwicklung darf nicht der Schluß gezogen werden, erst mit dem hellenistischen Kapitell des Artemisions
die Griechen hätten die Blattwellen hängend auf- zu Magnesia wird ein dem Steinbau angemessener
gefaßt. Die Griechen der klassischen Zeit waren Zuschnitt des ionischen Kapitells gefunden,
sich des Ursprunges der Blattwellen gar nicht Die abweichenden Anschauungen, denen so-
mehr bewußt. Niemals haben sie diese nach eben Ausdruck gegeben wurde, beziehen sich
ägyptischer Art hängend verwendet, sondern stets auf Streitfragen, deren Beantwortung leicht als
tragend oder krönend, und dieser Sinn ist deut- das wichtigste Ergebnis des Meurerschen Buches
lieh darin ausgesprochen, daß bei den aufwärts erscheinen könnte, streng genommen aber doch
gerichteten Wellen des Gebälks und der Kapitelle nicht mehr in den Rahmen desselben gehörte;
die Heftschnur unterhalb, bei den abwärts ge- diese Bedenken sind auszusprechen, gerade weil
richteten Wellen des Sockels aber oberhalb an- dem Buche in der Lösung seiner eigentlichen
gebracht ist. Meurer setzt sich mit sich selbst Aufgabe eine unbedingte Anerkennung gespendet
in Widerspruch, indem er zwar dem Profil der werden muß. Was Semper in großen Zügen
Blattwellen eine tragende Aufgabe zuschreibt, vorgezeichnet hat, was Bötticher erkannte, auf
nicht aber dem Schmuck. Es vollzog sich hin- die klassischen Typen sich beschränkend, das bat
sichtlich der Blattwellen der gleiche Vorgang wie Meurer erfüllt durch den systematischen Nach-
beim Kapitell, welches die Ägypter frei endigend weis, wie die Griechen den überkommenen
auffaßten, die Griechen aber tragend umgcstal- äußerlichen Pflanzenschmuck in organische Ver-
teten. Böttichers Erklärung der Blattwellen zu bindung mit den Konstruktionsformen der Archi-
verwerfen, liegt kein Anlaß vor. — Es mag sein, tektur brachten und die Gleichnisse der Pflanzen-
wie Meurer will, daß textile, aus Streifen und weit zum Ausdruck der Gedanken des baulichen
Quadraten wechselnde Bänder auf die Gestaltung Systems verwendeten, wie diesem Grundsätze
des dorischen Triglyphons eingewirkt haben, die besten Zeiten des Mittelalters und der Wieder-
Aber gewichtiger sind die Gründe, welche das geburt folgten und überhaupt jede gesunde Kunst
Triglyphon aus baulichen Bestandteilen erklären. folgen muß. Neben den Werken jener beiden
Will man Vitruvs Angaben nicht gelten lassen, Pfadfinder wird auch Meurers Werk eine unver-
so spricht doch der Umstand, daß an den ältesten gängliche Bedeutung behalten.
Bauten die Triglyphen nur in der Vorderansicht, Zu berichtigen ist, daß die nicht zu den
nicht aber an den Seiten erscheinen, dafür, daß preußischen Ausgrabungen gehörige Ornament-
man dort die Köpfe, hier die Langseiten der Balken tafel aus Pergamon, abgebildet S. 463, nebst
zu sehen hat, deutet doch der Triglyphen und einer zweiten gleichartigen sich im Museum zu
Metopen trennende Fugenschnitt darauf hin, daß Konstantinopel befindet, nicht in Berlin, wo aller-
beide ursprünglich als verschiedene Bauteile be- dings ein Abguß im Neuen Museum vorhanden ist.
standen. — Daß das ionische Kapitell aus der auf- Charlottenburg. J. Kohte.
strebenden Doppelvolute hervorgegangen ist, muß
seit den Funden von Neandria als feststehende
Tatsache gelten. Darum darf aber, wie der ver-
storbene Kawerau gegenüber Puchstein, dem Gestorben: In Hannover der Konsistorialbau-
Meurer sich anschließt, im Archäologischen Jahr- meister, Privatdozent a. D., Dr. G. Schönermark,
buch 1907 ausgesprochen hat, die ältere Erklä- der Verfasser einer großen Reihe wissenschaftlicher
rung, welche den Ursprung des ionischen Kapitells Werke, u. a. des Hochbau-Lexikons;
im Sattelholz sah, nicht verworfen werden. Die- in Homburg v. d. Höhe der als Wiedererbauer
selbe gewinnt vielmehr eine Bestätigung im der Saalburg bekannte Geh. Baurat Prof. Jacobi.

-O-

Chronik.
 
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