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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0310

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Literatur.

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die Vorbilder für das tektonische Schaffen wieder
zu gewinnen. Die Schrift über das Studium der
Naturformen an kunstgewerblichen Schulen er-
läuterte 1889 sein Programm: Unmittelbares Stu-
dium der Naturformen, vergleichende Betrachtung
der Natur- und Kunstformen, Sammlungen von
Naturformen, Herausgabe von Lehrwerken. Die
gesteckten Ziele hat Meurer in gewissenhafter, un-
ermüdlicher Arbeit erreicht. Schon 1895 erschien
das Werk der Pflanzenformen, eine Grammatik
des Baues der Pflanze mit einem gründlichen er-
läuternden Text; zur Erläuterung folgten die bei-
den Serien der Pflanzenbilder, daneben eine
Sammlung von plastischen Nachbildungen. Es
waren keine Vorlagen zu billiger unmittelbarer
Wiederholung; Meurer wollte den Blick wieder
auf diejenigen Werte der Pflanzenwelt lenken,
welche sich zur Übertragung in die Kunst eignen.
Von seinen vergleichenden Forschungen hatte
Meurer bisher nur eine Studie veröffentlicht, den
gediegenen Aufsatz über die Ursprungsformen des
griechischen Akanthus-Ornaments und ihre natür-
lichen Vorbilder, im Jahrbuch des Deutschen Ar-
chäologischen Instituts 1896. Im vergangenen
Jahre erschien nun die vergleichende Formenlehre
des Ornaments und der Pflanze, mit welcher
Meurer seine Arbeiten zum Abschluß bringt. Das
Werk ist in doppelter Gestalt herausgegeben, in
250 Wandtafeln, wTelche als Vorlagen im Unter-
richt an technischen Hochschulen und Kunst-
gewerbeschulen dienen sollen, und als erläutern-
des Handbuch, in welchem jene Tafeln verkleinert
wiederholt und durch zahlreiche Abbildungen er-
gänzt sind.

Nach einer Einleitung, die den Inhalt des
Buches skizziert, die Entstehung ornamentaler
Typen aus pflanzlichen Vorbildern und ihre Um-
wandlung in der Kunst, ist das Werk in 24 Ab-
schnitte geteilt, von denen je 12 auf die Natur-
und auf die Kunstformen entfallen. Im ersten
Teile ist der Stoff in ähnlicher Weise geordnet
wie im Werke der Pflanzenformen. Zunächst
werden die einfachen symmetrischen Blatt- und
Blütenformen betrachtet, und aus der Lilienblüte
wird eine der ältesten ornamentalen Typen, die
Verbindung der Palmette und der Banken, erklärt
(Abschnitt I—II).

Das Laubblatt wird in seiner Bippung, seinen
Umwandlungen am Schafte und seiner Bewegung
verfolgt; die architektonischen Blalttypen des Al-

tertums, des frühen und des späten gotischen
Stiles werden erörtert, einer der wichtigsten Ab-
schnitte des Werkes (III—VI). Blüten- und Frucht-
formen bestimmen die Bosetten und Gefäßformen
(VII—IX); der Schaft und seine Verzweigungen,
Knospen, Sprossen und Blütenstand beschließen
die Betrachtung der Pflanze (X—XII). — Der die
Kunstformen behandelnde zweite Teil beginnt mit
den freien Endigungen der Antike und der Gotik,
die sich den natürlichen Vorbildern noch unmittel-
bar anschließen (XIII), geht dann über zu den
Bändern, die sich aus textilen und pflanzlichen
Elementen zusammensetzen (XIV), und weiter zu
den verschiedenen Arten der Reihungen, den
hängenden Blättern und Blüten, den Blattwellen,
den aufrecht stehenden Anthemien und den Bei-
hungen ki der Bichtung einer Achse zu wage-
rechten und senkrechten Friesen (XV—XVII).
Die Stützenformen und ihre pflanzlichen Vorbilder
werden untersucht, die ägyptische und die my-
kenische Säule, die griechisch-römischen Säulen-
arten ; dem ionischen, dem korinthischen und dem
mittelalterlichen Kapitell ist je ein besonderer
Abschnitt gewidmet. Noch vielseitiger als in den
baulichen Stützen sind die Beziehungen zur Na-
tur in den Schmucksäulen und Kandelabern
(XVIII-XXIV).

Was der Verfasser darbietet, sind die aus-
gereiften Ergebnisse einer Lebensarbeit. Es ist
ein Genuß, seinen ebenso anschaulichen als er-
schöpfenden Darlegungen zu folgen. Über so
scharfe Beobachtungen der Pflanzenwelt, wie er
sie angestellt hat, verfügt sonst niemand. Zu
den schönsten Teilen des Buches gehören die
Hinweise, wie mannigfache Beziehungen zur Natur
das korinthische Kapitell enthält, wie es immer
wieder nicht die Laubblätter, sondern die minder
in die Erscheinung tretenden Sprossenbildungen
waren, die den baulichen Kunstformen zugrunde
gelegt wurden. Die für den Schulgebrauch be-
stimmten, meist von Schülern Meurers gezeich-
neten Abbildungen sind überaus sorgfältig her-
gestellt und durchweg klar und verständlich.

Meurer verfolgt die Entstehung und Entwick-
lung der Kunstform bis zum klassischen Typus;
dessen Verwendung und weitere Veränderung
kommt für ihn nicht mehr in Betracht. Ander-
seits rundet er die Darstellung dadurch ab, daß
er auch andere Gebiete zu Hilfe zieht, oftmals
die Textilkunst, selten die Bautechnik. Auf Grund
 
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